Foto: "Nora, Hedda und ihre Schwestern" in Karlsruhe © Sebastian Pircher
Text:Manfred Jahnke, am 7. Oktober 2018
Wenn drei berühmte Frauengestalten von Ibsen – Nora, Hedda und Ellida, die Frau vom Meer – an einem Theaterabend agieren, dann prallen drei Frauenschicksale aufeinander, die sich in ihren Lebensentwürfen doch wieder ähnlich sind: „Luxusweibchen“ und Sexualobjekt, die sich aus dieser Welt hinaus sehnen. Wenn man dann noch die drei Figuren auf drei verschiedene Zeitachsen setzt, dann lässt sich auch der historische Kontext in deren Handeln mit auf die Bühne bringen. So ist „Nora“ in den 1950er Jahren verortet, „Hedda Gabler“ in den 1980ern und „Die Frau vom Meer“ im Jetzt. Im Fortgang der Geschichte spiegelt sich die hart errungene – und immer wieder gefährdete – Frauenemanzipation. Ellida schafft es am Ende, sich frei für ihren Gatten, Dr. Wangel, zu entscheiden, während Nora Mann und Kinder verlassen muss, um zu sich selbst zu kommen, und Hedda, ihres eigenen Intrigenspiels überdrüssig, nicht länger Objekt der Begierden der Männer bleiben möchte. Ulrike Syha hat die drei Geschichten in ihrer Bearbeitung überaus geschickt ineinander verwoben. Hierzu hat sie auch Verwandtschaftsbeziehungen geschaffen, zum Beispiel wird Lövborg (Thomas Schumacher, der die Brüche seiner Figur aasig ausspielt), der an sich selbst scheiternde Mann, als Sohn der Nora eingeführt. Er selbst zeugt ein Kind mit Frau Elvsted (Ute Baggeröhr), die dann zur ersten, mittlerweile verstorbenen Frau von Dr. Wangel (Timo Tank, verständnisvoll und doch nicht verstehend) wird.
Aber dieses Beziehungsgeflecht wirkt zumindest in der Inszenierung von Anna Bergmann nicht strukturbildend. Da wird eine ganz andere Figur auf allen Zeitachsen, eingreifend und kommentierend, wichtig: Ballsted, von Meik van Severen koboldhaft queenig vorgeführt, jedenfalls nicht ganz von dieser Welt. Durch die verschiedenen Zeitebenen zu switchen, bedeutet aber auch, Handlungsräume zu schaffen, um schnelle Sprünge zu ermöglichen. Wenn ich mich nicht verzählt habe, gibt es auf der Bühne von Katharina Faltner mindestens zwölf ineinander verschachtelte Räume, von der Bushaltestelle, über Kirche und Schwimmbecken bis hin zur Diele mit Telefon. Natürlich gehören ein Kinderzimmer für Nora sowie ein geschlossener gläserner Raum für Hedda dazu. Im ersten Teil sind diese Räume klar den Hauptfiguren zugeordnet. Im zweiten Teil dann werden die Handlungsorte in drei Blöcke geteilt und lassen sich nun nicht mehr in einzelne Milieus verorten. Wobei auch im ersten Teil die Grenzen nicht eindeutig abgetrennt sind: Die Live-Videos, die in einem Raum produziert werden, werden in einem anderen projiziert. So werden zwar die Persönlichkeitsspaltungen der Figuren – und auch ihre Aura – deutlich, aber für mich als Zuschauer entsteht ein gigantisches Wimmelbild. Bergmann fokussiert mit Licht die Szenen, in denen Dialoge hörbar werden, aber da die Handlungen der anderen Akteure pantomimisch im Halbdunkel weitergehen, neben den Live- auch vorproduzierte Videos (Sebastian Pircher, Tina Wilke, Sophie Lux), meist über das ganze Gerüst projiziert werden, schweift das Auge frei umher.