Foto: Simonefredericke Scacchetti und Simone Elliott in Yuki Moris „Loops“ © Ramin Morady
Text:Michaela Schabel, am 6. November 2016
Nominiert für den Faustpreis, aber nicht prämiert, war Yuki Mori am Premierenabend seiner neuen Uraufführung deutlich enttäuscht, nicht das Publikum. Begeisterten Applaus gab es für seine hinreißende Uraufführung „Loops“ im Regensburger Velodrom. Deutlich ist die Abkehr vom Erzählballett. „Loops“ entwickelt das Auf und Ab der Lebenszyklen losgelöst von Geschichten, als tänzerisches Feuerwerk von fünf Paaren, die sich in immer neuen Drehungen und Schleifen, Soli und Pas des deux nähern, distanzieren, die Klaviatur menschlicher Emotionalitäten zwischen Liebe und Einsamkeit, Schutz und Aggression, Frieden und Krieg spüren lassen. Simeon ten Holts minimalistischer „Canto Ostinato“ ist der Pulsschlag der Choreographie, von den Tänzer mit präziser Ausdruckskraft dynamisiert und variiert. Jeder Ton eine Bewegung, ein Stopp, ein Laufschritt, ein Handkreisen.
Statt einen Geschichtenrahmen zu füllen, reduziert Yuki Mori grundsätzliche Lebenssituationen auf wenige Requisiten, die die Tänzer selbst schwungvoll in immer neuen Variationen arrangieren. So entwickeln sich magisch surreale Bilder, in denen ähnlich wie in Haruki Murakamis Romanen gleichzeitig Poesie und grenzenlose Tristesse des Lebens aufleuchten.
Eine Stehlampe genügt für die Intimität der Häuslichkeit, rote Schuhe für die Liebe. Eine schlichte Zimmerpflanze, lichtumflort, wird zum Wunder der Natur. Ein Schreibtisch oszilliert zwischen Festung und Panzer. Riesengroße Projektionen verwischen die Grenzen zwischen Bühne und Wäldern, Meeresküsten mit endloser Eisenbahnspur. Menschen begegnen sich nur kurz auf dem Weg in die unendliche Einsamkeit.
Bestens dazu passt im Vorfeld Guiseppes Spotas Uraufführung von „Blank“. Als Tänzer 2011 mit dem Faust-Preis ausgezeichnet, glänzt er nun als Choreograph. Knisternd löst sich ein Tänzer wie ein Piktogramm aus einer papierdünnen Schablone, wandelt von der Zwei- in die Dreidimensionale, schiebt sich unter kratzenden Geräuschen ins Leben, dynamisiert sich in die Senkrechte und findet sich unter seinesgleichen, neun weiteren weiß geklonten Tänzern. Aus serieller Gleichförmigkeit entfalten sie sich wie Schmetterlinge aus Kokons, wenn sich die Reißverschlüsse an Ärmeln und Beinen öffnen. Durch unterschiedliche Jacketts, aufgenähte Reviers und Taschen gewinnen die Tanzpaare an Individualität und doch unterliegen sie den gleichen Lebenszyklen im Rhythmus der melodischen Wiederholungsschleifen von John Adams Komposition „Shaker Loops“.
Dem poetischen Liebesspiel folgt die Tyrannei hierarchischer Arbeitswelten zwischen mächtigen drehbaren Holzplattenskulpturen als Metaphern der unendlich vielen Lebensgeschichten. Hektik und Beschleunigungsdruck formen die Tänzer zu Teams, wandeln Kooperation in Aggression und enden im Knock-out. Zu schnell fällt der Vorhang. Ob falsches Timing oder letzte Metapher der Hektik, die nicht einmal Zeit zum Sterben lässt, bleibt offen. Konzeptionell, ästhetisch und tänzerisch gelingen mit „Loops“ zwei ganz eindringliche Metaphern auf das Leben.