Foto: Ruben Drole (Soldat/Erzähler) und Martin Zysset (Teufel/Erzähler) in „Die Geschichte vom Soldaten“ © Toni Suter
Text:Tobias Gerosa, am 14. Mai 2021
Der Vorhang zu, der Orchestergraben zum Podium angehoben, ein Stuhlhalbkreis für die sieben Instrumentalisten der Philharmonia Zürich und eine konzentrierte, klug reduzierte und episierte Erzählung: Igor Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ am Opernhaus Zürich ist eine kurzfristig als Pandemieüberbrückung eingeschobene Ersatzproduktion mit reduzierten Mitteln für wenige zugelassene Zuschauer, die das Theater in einer guten Stunde Spielzeit mit Gewinn auf seine ureigensten Mittel zurückführt.
Mitte April hatte das Opernhaus Zürich alle geplanten Produktionen bis Ende Spielzeit abgesagt und stattdessen eine Reihe von Kammerkonzerten angesetzt und (neben dem Streaming von drei Produktionen und älteren Aufnahmen) eben die Strawinsky-Produktion, die sich mit relativ kleinem Aufwand realisieren ließ. Ende April und auf Ende Mai hat die Schweizer Regierung aber Lockerungen der Pandemie-Maßnahmen beschlossen – so soll die Umplanung jetzt bereits wieder umgeplant werden und für Juni nochmals ein ganz neues Programm entstehen (wohl sogar mit geplanter regulärer Produktion). Dann für – Stand heute – 100 Personen, also doppelt so vielen wie noch jetzt Mitte Mai. Doch jetzt eben erst einmal ein paar Termine für Strawinsky, für dieses „Bühnenstück zu lesen, zu spielen und zu tanzen“ von 1917, in Szene gesetzt von Andreas Homoki.
Die Partitur sieht einen Dirigenten vor und vier Darsteller, am Opernhaus kommt man mit zwei Darstellern aus. Die sieben Instrumentalisten spielen ausgesprochen knackig und rhythmisch animiert, das Marsch- und Volksmusikhafte wird so lustvoll herausgestellt wie die Passagen, die Figuren karikieren oder die Tänze – unwillkürlich wippt man mit. Die Koordination klappt problemlos.
Vor den Instrumentalisten agieren die beiden Sänger-Ensemblemitglieder in den Sprechrollen. Martin Zysset und Ruben Drole sind der Teufel und der Soldat. Und sie sind zusammen, sich ergänzend und auch mal ins Wort fallend, auch die Erzähler. Und die vorgesehene Tänzerin als Prinzessin übernimmt der Lichtkegel eines Verfolger-Scheinwerfers. Überhaupt hat Franck Evins Licht mit seinen scharfen Wechseln – enger Lichtkegel oder gespenstisch von unten angestrahlte Gesichter für die Teufel-Zauberwelt, eine warme Golderleuchtung des ganzen neobarocken Zuschauerraumes in der Schlossszene – eine extrem wichtige Rolle. Jeannette Seilers Ausstattung beschränkt sich auf zwei unauffällige schwarze Kostüme.
Die Regie nimmt die Idee eines Stückes für eine Wanderbühne auf und konzentriert sich auf die Personenführung und die Gestaltung des Textes. Das tut dem Stück gut, schafft Konzentration und einen Spannungsbogen, den die Musik nicht unterbricht, sondern stärkt. Die Instrumentalisten werden einbezogen (ohne ihnen dabei zu viel abzuverlangen), die erzählte Geschichte mit ihrer (schließlich etwas simplen) Moral wird gemacht und als gemacht gezeigt, das Märchen gewinnt durch die Episierung und Stilisierung an theatraler Wahrhaftigkeit.
Drole gibt den Soldaten als etwas polternden (und etwas lauten) Bruder Papagenos. Unbedacht stolpert er in den Handel mit dem Teufel, der ihm für das Buch, das ihm alle Reichtümer verschafft, seine kleine Billiggeige abkauft und sich so ins Verderben stürzt.
Gegen den Teufel Zyssets hat er keine Chance. In der Textgestaltung, ihrer Aufladung mit Untergründigem, in der Varianz zwischen Verführung und Drohung, in der Musikalität der Sprache wie in der Körperlichkeit seines Ausdrucks bildet Zysset das klare Zentrum.