Szene aus der neuen Produktion von Forced Entertainment.

Geschichten ohne Pointe

Forced Entertainment: The Coming Storm

Theater:Ruhrtriennale, PACT Zollverein Essen, Premiere:23.05.2012 (UA)Regie:Tim Etchells

Ist nicht das ganze Leben ein einziges Konglomerat von Geschichten? Solche, die man selbst erlebt hat; solche, die man gern weitererzählt, weil sie so spannend, traurig oder lustig sind; und solche die man für sich behalten muss, weil sie einfach nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Zu schmerzhaft, zu schrecklich, lieber vergessen. Das schöne am Geschichtenerzählen ist ja die Möglichkeit, abzubrechen wenn’s langweilig wird, oder eben zu schmerzend. Da reicht ein beiläufiges „Thank’s Terry“, mit dem er ihr das Mikro aus der Hand nimmt, ihre Geschichte abwürgt und die eigene einläutet – so lange, bis auch ihm die Aufmerksamkeit verweigert wird.

Die britische Postdramatik-Combo Forced Entertainment hat unter Leitung von Tim Etchells ihre neue Produktion „The Coming Storm“ auf PACT Zollverein zur Uraufführung gebracht – gute 100 Minuten bizarrer Spaß inklusive handgemachter Musik rund um die Frage, was eine wirklich gute Geschichte denn ausmacht und wie sie erzählt werden sollte. Braucht sie ein Geheimnis, Freunde und Feinde, besser gleich eine komplizierte Dreiecksbeziehung? Und muss man mit den Charakteren mitfühlen können? Am Ende ist man ja doch froh, diese Scheiße nicht selbst erlebt zu haben.

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Die sechs Performer arbeiten sich – Kostüme wechselnd, tanzend, zwischen Schlagzeug, Klavier und Gitarrenspiel hin- und herhechelnd – durch ein wirres Erzählexperiment, eine Art Wettbewerb wessen Lebensdetails es denn wert sind, mitgeteilt zu werden. Wer zu schüchtern ist, verliert das Mikro („Sprich bildhafter!“), Details aus der letzten Urlaubsreise interessieren nur beiläufig („Kürz das ab!“) und ein Möchtegern-Killer versucht vergeblich, sich in die flink wechselnden Handlungsgerüste einzuschleichen.

Ob moralisches Dilemma (Wie füttert eine Mutter mit nur einem Essen ihre ganze Familie?), abstruse Piratenentführung (Wie die Tochter nach einem Schiffbruch vor Südafrika gekidnappt wurde…), Alltagsromanze, sexuelle Grenzerfahrung oder nächtliches Problemtelefonat mit wechselnder Personenkonstellation – nie wird ein Konflikt aufgelöst oder bis zur Pointe geschubst. Alles zerfasert in charmanten Klangfetzen, was gegen Ende durchaus anstrengend gerät und dafür sorgt, dass sich der Abend jeder größeren Sinnhaftigkeit entzieht. Aber so ist’s ja auch mit dem Leben und seinen wahren Geschichten.