Für die digitale Infrastruktur hatten sich vier Künstlerkollektive „Vier Skizzen“ erdacht, parallel zum VR-Happening liefen auf twitch.tv von der Augsburger Digitalchefin Tina Lorenz moderierte Gesprächsrunden mit den beteiligten Künstler:innen. War man – wie ich – zeitgleich „in VR“, konnten diese leibhaftigen Gesprächsrunden nur in den Pausen im Stream verfolgt werden.
Nach dem üblichen Einrichtungsprozedere (Brille und Controller mit dem WLAN koppeln, Kopfhörer anschließen, Sitzplatz wählen) hatte der VR-Zuschauer vorab die Aufgabe, im virtuellen Foyer Bewegungsabläufe zu üben (Gegenstände hochheben, fallen lassen). Schnell wurde man vertraut mit dem Controller – und konnte sich zusammen mit dem heimischen Digital-Partner innerhalb der virtuellen Räume orientieren. Ich und alle Probanden erhielten nämlich zwei Brillen, was das Experiment um die Ebene soziale Interaktion in VR erweiterte. (Mein Neunjähriger hatte die technischen Abläufe übrigens fast schneller verinnerlicht als ich.) Schwierig war nur, sich im Verlauf des Abends unter dutzenden, abstrakt aussehenden Avataren wiederzufinden… Nebeneinander auf dem Sofa, der Sternenhimmel über uns, Stühle durch die Luft werfen – allein das Ausprobieren der technischen Architektur war riesiger Spaß und funktionierte erstaunlich gut.
Von der technischen Spielerei zur künstlerischen Dimension
Das Begehen eines digital entworfenen Theaterraumes war das eine, die künstlerische Umsetzung von theatralen Elementen das andere. „From Infinity“ von den Cyberräubern (Björn Lengers & Marcel Karnapke) bot Ausschnitte aus Mahlers Kindertotenlieder, zu hören unterm Sternenhimmel, wobei parallel über Kopfhörer laufende Unterhaltungen (Technischer Fehler?) den Moment der Faszination etwas schmälerte. Die Skizze „Zur Oper links abbiegen“ von Hannes Kapsch und Winnie Christiansen schickte uns Avatare durch dunkle Kellergänge und auf die Bühne eines fiktiven Theaterbaus, mit spannenden akustischen Spielereien und philosophischen Textfetzen. Anstrengend dagegen war unsere Odyssee durch die ewig dunklen Räume von „Unicorn Rising – Coding out of Plattenbau“ von outofthebox, bis wir schließlich in der Blumen-bewachsenen Glücklichwelt der vierten Skizze landeten: „Das Andere und das Eine“ vom Planetenpartyprinzip bildete insofern die spannendste der vier Skizzen, weil ein Puppenspieler-Avatar live unter uns war, die Gruppe herumführte, Anweisungen gab, man sich paarweise finden sollte (was mir und meinem Neunjährigen mit verabredeten Handzeichen auch gelang).
Wenn Avatare es schaffen, sich im Kreis aufzustellen, ist zumindest die erste Stufe der Interaktion geglückt. Waren die dreieckigen Berge, gelben Blumen und das flirrende Meereswogen ein gelungenes Bühnenbild? Untergegangen sind wir am Ende, herabgesunken unter den Meeresspiegel. Tot gefühlt habe ich mich nicht.