Am Anfang war laut Annett Göhre nicht klar, was aus diesen Soli werden sollte. Ob sie in die Choreographie zu „Die vier Jahreszeiten“ einfließen oder ob sie überhaupt gezeigt werden sollen. Schließlich kam die Idee auf, den Tanzfilm „Mich eingeschlossen“ daraus zu machen. Dass die zehn Soli in nicht einmal eine halbe Stunde Laufzeit passen, liegt vor allem daran, dass Annett Göhre die Tanzminiaturen als Material genutzt hat, aus denen sie eine Videochoreographie entwickelte.
Der Bildschirm ist in mehrere Fenster unterteilt. Jedes zeigt dabei jeweils ein Zimmer, in dem sich wiederum ein im Schlafanzug gekleidetes Ensemblemitglied befindet. Manche schauen nur unbewegt in die Kamera, andere tanzen ihr Solo und erzählen ihre Gedanken zu Quarantäne. Miyu Fukagawa lässt beispielsweise zur Musik von Masayuki Carvalho ihre Arme kreisen, dreht sich um sich selbst und krümmt sich wieder zusammen. In einem anderen Bildschirm sitzt Tänzer Julian Greene auf einem Stuhl und seine Hände wandern über seinen Körper, als wollten sie ihn zwingen, sich zu bewegen. Schließlich geht er zum Fenster und schaut überrascht nach draußen, als plötzlich sein Kollege Vincenzo Vitanza von seinem eigenen Fenster zurückschreckt. Die anderen Tänzerinnen und Tänzer ahmen die Pose von Greene nach, während Vitanza sein bodennahes Solo tanzt. In dieser Weise laufen die Bewegungen manchmal losgelöst voneinander, synchronisieren sich an anderer Stelle. So erfüllt sich der doppeldeutige Titel: Zum einen war jeder einzelne für sich eingesperrt, gleichzeitig teilen alle das gleiche Schicksal und ähnliche Erfahrungen.
Die Kacheln auf dem geteilten Bildschirm verschieben sich immer wieder, ziehen den zentralen Tanz-Part größer, in dem die Tanzenden durch einen geschickten Schnitt auf die Bühne des Plauener Theaters teleportiert werden (Kamera und Schnitt: Masayuki Carvalho). Gegen Ende befindet sich das Ensemble auch tatsächlich auf der Bühne und tanzt gemeinsam. Die Bewegungen sind mal unisono, mal setzen sie sich wie eine Kaskade fort. Durch Überblendungen wechselt die Besetzung gefühlt im Sekundentakt und die Choreographie scheint ohne Übergänge ständig zu springen.
Zu Beginn spielt der Tanzfilm allzu sehr mit allen Mitteln: Es gibt lange Kamerafahrten, Annett Göhre sitzt zigfach in unterschiedlichen Verkleidungen im Zuschauerraum und die Gesichter der Tänzerinnen und Tänzer werden mit Hilfe von Greenscreen vor einem strahlend blauen Himmel gezeigt. Dabei funktioniert die Technik nicht einwandfrei, sodass die Konturen stark flimmern. Die Stärken der Video-Choreographie zeigen sich dagegen, sobald der Film sich auf den Tanz konzentriert. So wie sich die Bewegungen in den unterschiedlichen Zimmern fortsetzen, sich die Kacheln verschieben und die Tänzer auf die Bühne versetzt werden, wird deutlich, dass die Soli zu Duetten mit der Kamera mutiert sind. Im Zusammenspiel zwischen den Tanzbewegungen und dem Videoschnitt entsteht eine Stimmung, die zwischen Melancholie und Hoffnung changiert und die die meisten im Publikum vermutlich gut nachvollziehen können. Vielleicht ist es am Ende sogar zu viel für das menschliche Auge, das oft nur einer Bewegung folgen kann. Doch der große Vorteil an einem Tanzfilm ist, dass man zurückspulen kann und sich den Tanz immer und immer wieder ansehen kann.
Der Tanzfilm ist über den obigen Link abrufbar oder direkt via Youtube.