Die Bühne von Christl Wein besteht aus einer weißen Wand mit Stangen, die der Künstler Freddy Engel durch Life-Zeichnungen auf einem Overhead-Projektor füllt. Das Großstadtpanorama des Shanghai der 1930er Jahre kommt so auf die Werkstattbühne des Pfalztheaters, aber auch der kleine Garten auf dem Balkon der Familienwohnung im achten Stock eines Hochhauses. Regisseurin Martina Veh konzentriert sich in ihrer psychologisch durchdachten Personenführung auf das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen den Darstellern, das immer um den abwesenden Vater kreist. Genau so bewegt sich auch die Musik von Christian Jost in flächigen Streicherklängen um tonale Zentren und macht – ebenso wie die Dramaturgie des Werkes – Anleihen beim Film. Der junge Dirigent Johannes Witt meistert den Spagat zwischen der trotz des chinesischen Sujets eher westlichen Musik und den gelegentlichen exotischen Anleihen durch die Instrumentierung sehr stilsicher.
Auch für die mystisch-unheimliche Grundstimmung von Toshio Hosokawas „The Raven“ mit ihrer komplexen Klangwelt findet der junge Dirigent eine ansprechende Lösung. Düsteres Grollen klingt immer wieder aus dem von dunklen Farben überschatteten Klangbild, das die Seelenregungen eines trauernden Mannes nachempfindet. Die Stimme in seinem Kopf, die Stimme des Raben, Geisterbote aus einer anderen Welt, und auch die Stimme des Erzählers übernimmt in dieser Monooper nach einem Gedicht von Edgar Allen Poe die Mezzosopranistin Polina Artsis. Und auch hier ist Freddy Engel mit von der Partie, diesmal als Medium, bei dem alle Fäden zusammenlaufen: Den Gedanken und den Stimmen im Kopf des Mannes verleiht er durch seine Schwarz-Weiß-Zeichnungen bildliche Gestalt, er verschmilzt dabei fast mit dieser imaginären Figur. Sehr konzentriert verdichtet Polina Artsis den musikalischen Bewusstseinsstrom, dem sie in immer wechselnden Rollen Gestalt und Klang gibt, mit ausdrucksstarkem, volltönendem und doch sehr flexibel geführtem Mezzosopran. Das „Nevermore“ des Raben schwillt an zu einer beschwörenden Intensität und zieht den trauernden Maler immer mehr „zu den plutonischen Ufern“, in seine Depression hinein – in einer atmosphärisch unglaublich dichten, in ihrer Beklemmung szenisch wie musikalisch packenden Interpretation!