Für das Aushalten solcher Gegensätze findet Walser in Annette Pullen eine Regisseurin, die den Text fein durchgehört hat, ohne auf die von der Autorin so gehasste Regie-Originalitätssucht, Bebilderungspenetranz und das Ertränken mit Musik auskommt, das Libretto vielmehr in seinem Sprachwitz anspielungsreich zum Klingen bringt. Auch in Nebensächlichkeiten. Das „Ich fahre nie wieder nach Bielefeld“ der Schönheitskönigin funktioniert gerade am Uraufführungsort ganz prima als Anspielung auf Thomas Bernhards, dessen Theatermacher ihren Provinzhass gern gegen Osnabrück richten. Und natürlich wird gefeiert, wie Walsers Sentenzen immer wieder auf hübsche Wortzusammensetzungen zulaufen – wenn etwa der General über Blicke aus Burka-Schlitzen fantasiert: „Die jagen einem das Blut sonst wohin, dagegen ist ja alles, was wir hier so … ich meine, die eingezwängten Popos rechts und links, Schlitze vorne, oben hinten, die ganze Aufreizungshölle“.
Pullen ist durchaus eine prima Dirigentin der Gesprächspartitur, sie löst den groben Typenakkord immer wieder in individuelle Motive auf, bemüht sich im raschen Pingpong der Argumente um ein ausbalanciertes Sprachspiel. Die Schauspieler denunzieren ihre Rollen nicht, gehen sie allesamt mit deutlicher Ironie an und genießen es, dass Walser die Rollenklischees mit Intelligenz unterfüttert, damit stärkt und irgendwie gleichberechtigt nebeneinander stellt. Mangel an Positionierung ist Walser Position. Einfache Antworten gibt es nicht, nur unaufgedröselt im Raum stehende Fragen.