Aber auch der junge Ekkehard Schall, Brechts Schwiegersohn, Mann der Tochter Barbara und Vater der heutigen Enkelinnen und Erbinnen Johanna und Jenny, spielt ganz erstaunlich (und schon hier extrem formstreng und „brechtisch“!) den wilden Sohn Eilif; neben ihm zeigt Heinz Schubert als grundehrlicher (und genau darum todgeweihter) Bruder Schweizerkas eine Studie der Unausweichlichkeit. Auch Ernst Busch als Koch und Wolf Kaiser als Feldprediger begleiten den Weg der Courage, Regine Lutz (Jahrzehnte später Rolf Hochhuths „Hebamme“ am selben Haus) spielt die Hure und Kriegsgewinnlerin Yvette. In einer winzigen Rolle ist obendrein auch der Ruhrpott-Schauspieler Friedrich Gnass zu sehen, der bald darauf stirbt. Überhaupt wird in ziemlich großräumig durchmischten Dialekten räsoniert – der Krieg zerstörte das Europa der Heimatregionen.
Auch die Bühne ist klassischer Brecht: natürlich mit der halbhohen Brecht-Gardine, die als Vorhang auf- und zugezogen wird; weiter hinten hängt senkrecht ein „Lappen“, mit einer Art Schützengrabung-Schanzung darüber sowie den Namen der Regionen voller Schlachtfelder: Schweden, Polen, Bayern, das Fichtelgebirge… bis zur letzten Schlacht vor Halle, in der Mutter Courage auch noch die Tochter verliert. Auch aus so vielen Jahrzehnten Entfernung erstaunen zudem die Szenen mit der Drehbühne, auf der die Courage mit wechselnder Hilfe den Planwagen zieht, der ihr Geschäftskontor ist. Zum Schluss zieht sie allein, unbelehrbar, unbelehrt – sie will wieder in den Handel kommen. Besser gesagt (oder besser: schlimmer) – sie muss.
Die Inszenierung von Brecht und Erich Engel (der ja auch „Die Dreigroschenoper“ uraufgeführt hatte) mag von heute aus eher statisch wirken; was tatsächlich die konzentrierte Arbeit ausmacht, findet in den Haltungen des Ensembles statt. Und nicht alles davon kann die Kameraführung der Fernsehregie 1957 einfangen. Spürbar wird auch, wie dem Autor und auch der Regie mittendrin die Dramaturgie zu entgleiten beginnt – wenn sie sich auf immer kleinere Details und auch auf immer mehr Komödie einlässt, speziell im Spiel von Courages Freunden, Feldprediger und Koch. Aber die Methode bleibt immer präsent, vor allem in der forcierten Körperlichkeit im Ensemble.
Natürlich sind wir im Museum zu Besuch über drei Stunden hin… aber wie in jedem guten Museum kann jeder und jede aus dem Vergangenen Einiges mitnehmen für die Gegenwart. Schauen wir von nun an noch intensiver auf das, was Schauspielerinnen und Schauspieler tun – und denken wir dabei an Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“; und an die Welt, die Menschen wie sie immer wieder von neuem vernichtet.