Foto: Intelligenztest auf der Opernbühne: "IQ". © Schwetzinger SWR Festspiele
Text:Joachim Lange, am 2. Mai 2012
Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, die Intelligenz von Menschen zu ermitteln und einen entsprechenden Quotienten festzustellen. Seit Thilo Sarrazins einschlägigen Diagnoseversuchen sogar mit ziemlicher Vehemenz und gesellschaftlicher Reichweite. Darüber, ob es sinnvoll ist, über den IQ, also den Intelligenzquotienten, eine Oper zu machen, kann man jetzt gleich noch mit streiten.
Die diesjährige Uraufführung der Schwetzinger SWR-Festspiele unternimmt nämlich genau diesen Versuch. Als eine eher elaborierte Versuchsanordnung von mäßigem Erkenntnis- und Unterhaltungswert. Was von Enno Poppe komponiert und von Marcel Beyer mit einem Libretto gefüllt, jetzt als „Testbatterie in acht Akten“ daher kommt, ist die Simulation eines Intelligenztestes in einem Bühnenlabor. Dabei ermitteln Testleiterin Rosemary Hardy und ihre Kollegin Katja Kolm samt ihrer beiden Assistenten (Ernst Surberg und Lukas Schiske) die Intelligenz der Probanden. Und testen dabei gleich noch die Geduld des Publikums. Denn, obwohl ziemlich ausgeklügelt durchkonstruiert, findet diese Klanginstallation, in der die Instrumentalisten des Klangforum Wien mit selbstverständlicher Virtuosität ihrer Instrumente und mit ausgestelltem Dilettantismus auch ihre Sprech- und Singstimmen bedienen und einsetzen, nicht so recht zu einer sich selbst erklärenden, abendfüllenden Bühnenform. Und im Auswertungsakt nicht zu einem Ende.
Nun ist neben dem dirigierenden Komponisten und dem Librettisten immerhin Anna Viebrock mit im Boot. Und zwar auf dem Feld, wo sie unbestreitbar zur Spitze der Branche zählt, nämlich als Raum- und Kostümerfinderin. Und als Regisseurin, wo sie diese Meiserschaft nie so ganz erreicht. Aber sei‘s drum – ihr Part ist der Vorlage angemessen, und damit, neben der rein handwerklichen Professionalität der Klangerzeugung, überzeugend. Im Grunde werden sieben Tests und eine Auswertungsrunde durchgespielt. Zum Beispiel Papierfalten oder Farbtöne erkennen. Dazu wird immer wieder ein Schild hochgehalten auf dem beispielsweise das Wort Rot in einer anderen Farbe zu sehen ist. Der Proband muss die Farbe benennen, ohne sich vom gelesenen Wort irritieren zu lassen. Und so weiter. Da und auch bei den anderen Spielchen kann man also im Geiste mitmachen. Die Pointe besteht dann darin, dass die diversen Protokolle (oder was auch immer) umgehend in den Reißwolf wandern. Und der Berg mit den Papierresten irgendwann im Graben landet.
Von dort wiederum wechseln einzelne Musiker in ihrem Alltagszivil immer mal wieder auf die Bühne. Die ist ein für Viebrock-Verhältnisse ziemlich renoviertes Testlabor mit allerlei Achtzigerjahre-Technik samt Reißwolf für die Tester links, zwei Bankreihen für die Probanden rechts und einer verschiebbaren Rückwand mit zwei Bildschirmen dahinter. Garniert sind die sich ständig wiederholenden, nur leicht variierten und sich von „Akt“ zu „Akt“ ausdehnenden Testrituale mit kleinen Typ-Skizzen der Probanden und der Tester. Man sieht Lehrer-Macken auf der einen, Prüfungsstress und Eifer auf der anderen Seite. Inklusive eines amourösen Übergriffs von hier nach dort.
Die Musik ist im locker gewebten Zusammenhang meist lakonisch und über weite Strecken den Wortbeiträgen untergeordnet. Beim Tonfolgen Nachspielen verdichtet sie sich auch mal zum bläsergrundierten intensiven Orchester-Tutti. Oder sie wechselt abrupt die Tonlage, wenn eine Probandin über ihre Erfahrungen mit dem „Bochumer Matrizentest“ berichtet. Musikalisch effektvoll mit rauchbluesiger Stimme zu Bass und Saxophon. Da gibt sich der subtile Witz, den das Ganze womöglich hat, dann auch mal zu erkennen. Sonst bleibt er in der Deckung der Textbruchstücke gut versteckt. Ansonsten kommt das Ganze doch eher so aufgeblasen daher wie sein Gegenstand. Am Ende, nach langen neunzig Minuten, sind alle Klippen, die diese Art der Vermessung der Welt bereithält, erfolgreich umschifft. Schade drum.