Körperstolz mit einladenden Gesten und knickschreitender Eleganz stolziert das zehnköpfige Ensemble aus dem Rückraum entschlossen an die Rampe der in aller Regenbogenfarbenpracht schillernden Bühne, die durch Torbogen-Aufsteller perspektivisch ins Unendliche verlängert scheint und später auch noch durch wogende Glitzervorhänge geschmückt wird (Ausstattung: Sebastian Ellrich). Stets seitwärts treten die Tanzenden ab und auf der Hinterbühne wieder auf. So imaginieren sie eine Lebensfreude propagierende Demonstration als Aufmarsch gegen herbeiwehenden Herbsttrübsinn und stressiges Unbehagen, das die Pandemie schon länger keimen lässt und gerade gedüngt wird von rasend steigenden Corona-Infektionszahlen.
Aufgrund eines Inzidenzwertes von annähernd 100 im Risikogebiet Bielefeld darf das Stadttheater nur besonders spärlich besetzt werden und alle Besucher müssen auch während der Vorstellung Maske tragen. In dieser atmosphärisch beklemmenden Gesamtsituation wirkt es natürlich verheißungsvoll, wenn Tanztheaterchef Simone Sandroni seine neue Choreografie „Im Rausch“ betitelt und „ein ekstatisches“ Erlebnis verspricht, das alle aufgestauten Gefühle und Energien befreien soll, „die wir in der Zeit des social distancing nicht ausleben können“. Ja, könnte es nicht gerade jetzt helfen, in tänzerischer Hingabe die Faktizität der Welt zu überschreiten, sich in Trance zu tanzen, Intensitätszustände physischer Exaltation als Glücks- und vielleicht sogar Transzendenzerfahrung zu genießen? Denn kaltgestellt in seiner aktiv ausgekosteten Sehnsucht nach Nähe, Berührung und Interaktion mit seinesgleichen wirkt das Berufsinstrument der Tänzer in jüngster Zeit. Mit dem Siegeszug von Covid-19 hat es sich in eine besorgt beäugte Gefahrenquelle verwandelt. Nicht anfassen, nicht umarmen, stets voneinander abrücken – das ist wenig erquicklich für jedermann und wirkt künstlerisch eher destruktiv für Menschen, die täglich ganz bewusst mit dem Körper kommunizieren.