Foto: Josepha Gru?nberg in "Yukonstyle" am Theater Heidelberg. © Florian Merdes
Text:Volker Oesterreich, am 18. November 2013
Leute, zieht Euch warm an im Zwinger 1 des Heidelberger Theaters. Wer dort die Deutsche Erstaufführung von „Yukonstyle“ der Frankokanadierin Sarah Berthiaume besucht, wird in den Polarwinter entführt. Minus 45 Grad herrschen in dieser unwirtlichen Region, und dennoch ist es immer wieder so, dass menschliche Gefühlsregungen hochkochen wollen. Die 1983 geborene Autorin entfaltet in ihrem Vierpersonen-Stück die Kindheitstraumata und das brüchige Beziehungsleben ihrer Figuren, geprägt von ungewollter Schwangerschaft, latentem Rassismus gegenüber den indianischen Ureinwohnern und von quälenden Erinnerungen an den Flammentod einer Mutter, die in ihrem Wohnwagen verbrannte. Eine ganze Menge Problemfelder also für einen Hundertminüter, in dem sich längere Erzähstrecken und Dialogpassagen abwechseln. Dazu noch lyrische Monologe, teils symbolistisch aufgeladen, teils expressionistisch.
Ja, Sarah Berthiaume hat Vieles hineingepackt in ihre Verhaltensstudie über vier Frustbolzen in frostigen Regionen. Kein Wunder, dass es der jungen Regisseurin und Bühnenbildnerin Miriam Horwitz recht schwer fällt, dazu eine Spielanleitung zu entwickeln. Während der ersten halben Stunde kauern die vier Schauspieler in Würfeln, die zusammen eine Art Gefängnisschachtel bilden, umhüllt von Klarsichtfolie. Da sich das ganze Gebilde auch noch drehen lässt, wirkt es wie ein Eiswürfel-Karussell, in dem sich die Schauspieler zunächst nur zaghaft regen, jeder für sich allein. Erst spät brechen sie aus und agieren auch davor oder auf der Oberfläche, um dem ringsum an den vier Wänden des Zuschauerraums verteilten Publikum zu zeigen, wie sich die vier Außenseiter in ihrem selbstgewählten Polarwinter-Eskapismus verhalten.
Im Mittelpunkt: die 17-jährige Außenseiterin Kate, die nach wochenlanger Irrfahrt mit Greyhound-Bussen kreuz und quer durch Kanada in der eisigen Einöde des Kleinstädtchens Whithorse strandet und dort Anschluss findet an das Pärchen Yuko und Garin. Und dann gibt es da auch noch den alternden Dad’s (Marcus Calvin), der meist im Alkoholrausch dahindämmert. Kate, gespielt von der versierten Josepha Grünberg, hat sich während ihrer orientierungslosen Bustour schwängern lassen, weil sie „Bock“ auf einen One-Night-Stand hatte. Nun denkt sie an eine Abtreibung mittels eines Kleiderbügels. Garin (Fabian Oehl) und Yuko (Elena Nyffeler) können sich kaum aneinander wärmen angesichts der Ängste, die beide mit sich herumschleppen. Der Halbindianer Garin glaubt zum Beispiel, seine Mutter sei Opfer eines Serienkillers geworden.
Insgesamt also theatralische Tiefkühlkost. Als Zuschauer wartet man beständig darauf, dass sie in die Mikrowelle geschoben wird. Aber das geschieht nicht. Nach der Vorstellung sollte man sich einen Grog gönnen, um auf andere Gedanken zu kommen.