Kobie van Rensburg erzählt das ruhig, klar und mit der nötigen Distanz. Vor jedem Kapitel spricht er einen kurzen englischen Text aus dem Off, meistens Defoe, ein wenig Shakespeare und Ben Johnson. Gesungen und musiziert wird Musik von Henry Purcell, zu Beginn aus den Opern „King Arthur“ und „The Fairy Queen“, später kommen Musiken aus anderen Opern und geistlichen Werken hinzu, und zweimal ein ganz anderer Ton. „There were Three Ravens“ von Thomas Ravenscroft, in Großbritannien durchaus ein Volkslied, illustriert einen Exkurs in Legendenbildung und ein geistliches Stück von Pelham Humfrey markiert den endgültigen Übergang zur Verzweiflung.
Rein optisch ist das alles eigenrtlich gar nicht aufregend. Aber das Timing, die Spätrenaissance-Hintergründe und -Kostüme sind stimmig, das Ensemble wird souverän geführt. Der Umgang mit der englischen Sprache ist herausragend, sowohl im Ausdruck als auch in der Versinnlichung des Lautspektrums. Es wird großartig musiziert. Die kleine Streicher- und Schlagwerkgruppe der Niederrheinischen Sinfoniker hat beglückend mit den externen Spezialisten an Laute und Orgel zusammengefunden. Und Yorgos Ziavras, der selbst auch Cembalo spielt, organisiert einen nie langweiligen, rhythmisch akzentuierten, ungeheuer farbreichen Klang. Auch das Sängerensemble ist zu preisen, sämtlich urgesunde Stimmen mit organischem Sitz und vielen Ausdrucksnuancen. Hervorzuheben ist vielleicht die dem Haus seit vielen Jahren verbundene Susanne Seefing, hier einmal mehr als mitreißend authentisches, dabei stets kultiviert singendes Ausdrucksmonster unterwegs. Dazu zwei fast unerhört schöne junge Stimmen aus dem Opernstudio: Die Mezzosopranistin Boshana Milkov und der bariton Guillem Batllori.
Fast zwei Monate lang hat das Theater Krefeld Mönchengladbach „The Plague“ produziert. Drei Tage wurde die Musik aufgenommen. Alle spielten ihre Stücke einzeln ein. Musikalischer Leiter und Regisseur fügten sie zu Ensembles zusammen. Mit diesem Soundtrack ging man in die filmischen Aufnahmesessions. Hier war natürlich auch keine körperliche Nähe erlaubt. Im Film gibt es diese aber durchaus. Und häufig. Fast einen Monat lang baute Kobie van Rensburg, Regisseur, Kamermann, Cutter, Sprecher in einer Person, Musik, Kameraarbeit, Animationen und Huintergründe zu zeigbaren 90 Minuten zusammen.
Die Anstrengung hat sich sehr gelohnt. Nicht weil alles musikalisch exakt ist, weil die mit feinen ironischen und witzigen Akzenten wuchernde visuelle Phantasie erfreut oder der professionell produzierte Film nur momentweise ein wenig synthetisch wirkt. „The Plague“ lebt von einem großen Antagonismus. Einerseits wird schlagend vorgeführt, was eine Seuche, eine Pandemie vor allem erzeugt, wenn sie nicht erfolgreich bekämpft werden kann: existenzielles Leid. Dem gibt die Produktion den notwendigen Raum. Und setzt ihm gleichzeitig bewusst – und erfolgreich – etwas entgegen, nämlich die Spiel-, Musizier- und Lebensfreude aller Beteiligten. Insofern ist „The Plague“ fast ein „Modellprojekt“ für das, was ein Theater in diesen nicht nur für die Theater schlimmen Zeiten leisten kann.