Text:Bettina Schulte, am 27. März 2012
Eine Kampfoperette ist nichts für Feiglinge. Ein Quäntchen Mut müssen die 23 Laiinnen (das Wort sei hiermit erfunden, weil nicht ersetzbar) schon aufbringen, um sich gemeinsam mit sechs Schauspielerinnen des Theaters Freiburg auf die Bühne zu stellen. Aber es geht schließlich ums Ganze: den „Planet der Frauen“. Den wünschen sich die Feministinnen natürlich schon lange: weg mit Kapitalismus, Ausbeutung, Krieg, Gewalt und Hierarchien, her mit geteilter Kindererziehung, geteilter Arbeit, dem Recht auf Faulheit, bedingungsloses Grundeinkommen, Hedonismus, Kreativität, Fußwaschungen für Wöchnerinnen etc. Und mit der platinblonden Flugkapitänin Bernadette La Hengst in einem madonnamäßigen schwarzen Spitzen-BH unter der strengen Uniformjacke an E-Gitarre und PC geht es im Kleinen Haus von Barbara Mundels Stadttheaterlabor der Zukunft mit dem Fahrstuhl ab in die Galaxis.
Vorher aber wird auf Erden noch verhandelt, wie weit es mit der Gleichberechtigung nun schon gekommen ist. Die Frage loten das Libretto von Maxi Obexer und die Songs von La Hengst in ihrer ganzen diffizilen Breite aus: Feminismus ja oder nein, Quote ja oder nein, Kinder ja oder nein, Schönheitsoperation ja oder nein, Liebe ja oder nein – und wenn ja: Dann befreit doch bitte die Liebe endlich vom Sofa und den Espressotassen! Am Anfang leidet die Performance in der Regie von Freiburgs Schauspieldirektorin Viola Hasselberg noch unter ihrem Aufklärungsauftrag und einigermaßen hilflosen schauspielerischen Aktionen. Doch mit dem Fortgang des Abends und dem Drive von La Hengsts eingängigen Agit-Prop-Songs nimmt der „Planet der Frauen“ immer mehr Fahrt auf. Je verrückter sich das gemischte Kollektiv gebärdet, desto besser das ästhetische Ergebnis. Wobei die Arbeit mit Amateuren, so intensiv vorbereitet sie auch sein mag, doch immer wieder an ihre Grenzen stößt: Ohne das fabelhafte Sextett der Freiburger Schauspielerinnen Marie Bonnet, Lena Drieschner, Charlotte Müller, Nicole Reitzenstein, Iris Melamed und Stephanie Schönfeldt, die sich an Aktenkoffern, Besen, Babys und Bügelbrett zunehmend in Rage spielen, fehlte dem Abend genau der Schuss groteske Übertreibungskunst, der ihn am Ende von allen gut gemeinten politischen Botschaften abheben lässt. Und: Wann hat man je so viel aggressive weibliche Energie auf einer deutschen Bühne gesehen? Männer Freiburgs, zieht euch warm an. Die Frauen kommen!