Foto: Silvia Schwinger verbirgt ihr Selbst hinter einer Hasenmaske. © Björn Klein
Text:Manfred Jahnke, am 12. Oktober 2024
Wie geht man mit Verlust, Tod oder Einsamkeit um? Das Schauspiel Stuttgart stellt mit der deutschen Erstaufführung von „Frau Yamamoto ist noch da“ die großen Fragen des Lebens zur Diskussion, überfrachtet allerdings die Miniaturen Dea Lohers.
Ganz unspektakulär führt Dea Loher in „Frau Yamamoto ist noch da“ das Bild einer Gesellschaft vor, in der alle nebeneinander für sich leben. Was nach einer deprimierenden gegenwärtigen Zustandsbeschreibung – en passant tauchen die dringlichen Probleme auf, wie Umweltverschmutzung, KI, etc. – klingt, wird von der Autorin zärtlich mit humorvollen Untertönen erzählt. Im Mittelpunkt der deutschen Erstaufführung am Schauspiel Stuttgart – die Uraufführung fand im September in Zürich und Tokio statt – steht Nicole Heesters als Frau Yamamoto. Sie entwickelt das Porträt einer Frau, die ihre Vereinsamung mit Würde trägt, nicht klagt, sondern sich bescheiden in die Welt einfügt.
Die Regie von Burkhard C. Kosminski zeigt ihre Stärken immer da, wo er behutsam die Psychologie von Figuren entwickeln kann. Wie er beispielsweise Matthias Leja in Jeans (Kostüme: Ute Lindenberg) als stupenden, nachdenklichen Nachbarn der Frau Yamamoto in Szene setzt oder Katharina Hauter und Sven Prietz als Paar, das mit Beredsamkeit seine Unfähigkeit zur Kommunikation zu überspielen versucht, das sind laute kleine Perlen. Aber auch, wie Christiane Roßbach oder Marietta Meguid, Peer Oscar Musinowski oder Karl Leven Schroeder, ihre Rollen anlegen, ist von psychologischer Raffinesse und Tiefe. Dass allerdings im kleinen Raum des Stuttgarter Kammertheaters das Ensemble Mikroports trägt und damit die Stimmen technisch geprägt werden oder zusätzlich vom Rand her per Mikrofon eingesprochen wird, wirkt in dieser Verfremdung befremdlich. Der Sinn dieser Distanzierung will nicht aufgehen.
Magie im Kleinen
Die Miniaturen werden zu einem Kreislauf leitmotivisch zusammengeführt, wenn am Anfang und am Ende Silvia Schwinger als Milena das französische Chanson „Le petite fleur“ singt und dabei Nicole Heesters neben einem umgestürzten Stuhl wie tot daniederliegt. Alle Begegnungen finden auf einer sich langsam drehenden Scheibe statt, die mit Zeichen wie bei einer astronomischen Uhr bedeckt ist (Bühnenbild: Florian Etti). Das Publikum sitzt sich auf zwei Tribünen spiegelbildlich gegenüber, dazwischen kreist die „Welt“. An den Rändern sitzt das Ensemble, das alle Auftritte auf die Scheibe von hier aus macht. Drei große schwarze Dreiecke, jeweils einer pro Wand, markieren weiter den Raum. Auf den Wänden laufen dazu die Videos von Yoav Cohen, die beispielsweise die Fenster eines Mietshauses zeigen, hinter denen schon einmal ein Schatten läuft.
Die visuelle Opulenz mit ihrer Tendenz, die „Welthaftigkeit“ der Szenen zu betonen, überfrachtet die Miniaturen von Dea Loher. Leise Handlungen werden mit einer Bedeutung aufgeblasen, die das genaue Spiel des Ensembles konterkarieren. Nicht zufällig hat diese Inszenierung ihre stärksten Momente, wenn Nicole Heesters zu ganz leisen und sanften Klängen (Musik: Hans Platzgumer) ihre Geschichte erzählt. Da wird deutlich, dass „Frau Yamamoto ist noch da“ ein starkes Stück mit glänzenden komödiantischen Tönen ist.