Szene aus „Die Banditen"

Es passt zu gut ...

Jacques Offenbach: Die Banditen

Theater:Oper Frankfurt, Premiere:28.01.2024Regie:Katharina ThomaMusikalische Leitung:Karsten Januschke

Musikalisch sind „Die Banditen“ an der Oper Frankfurt ein großes Vergnügen. Die Inszenierung bietet jedoch eher solides Handwerk: Die Sprengsätze in der Opéra bouffe von Jacques Offenbach verpuffen oder werden erst gar nicht gezündet.

In der Operette sollte das Gesetz des Chaos regieren, verantwortungslose Heiterkeit vorherrschen oder Sprengsätze gezündet werden, die unsere realen Verkehrtheiten freilegen. Jacques Offenbachs Outcast-Operette „Die Banditen“ hat etwas von diesem Potential. Zum einen werden die gewohnten Macht- und Werteverhältnisse umgekehrt, wird die bürgerliche Ordnung in Gestalt der Diplomaten, Gesandten und Regierenden desavouiert. Zum anderen aber erscheint die Räuberbande nicht als anarchische Gruppe, sondern eher als furchtbar biedere Gesellschaft, bei der die Kosten-Nutzen-Rechnung dominiert. Trotzdem sind die Briganten die Sympathieträger dieses Stückes, das nun an der Oper Frankfurt gezeigt wird.

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Offenbachs bevorzugtes Librettistenduo Henri Meilhac und Ludovic Halévy siedelt die dreiaktige Handlung irgendwo im Herzogtum Mantua an, irgendwann im 18. Jahrhundert. Der etwas glücklose Räuberhauptmann Falsacappa plant einen großen Coups, um Geld in die leeren Taschen zu spülen. Die Hochzeit des Herzogs von Mantua mit der Prinzessin von Granada soll der Anlass sein, 3 Millionen zu erbeuten. Dafür muss die Räuberbande als abgehärmte Pilgerschar erst das Personal eines an der Grenze gelegenen Gasthofs täuschen, dann die herzogliche Gesandtschaft und zuletzt das Gefolge der spanischen Prinzessin. Doch das Geld des Herzogs hat der betrügerische Schatzmeister längst verprasst. Womit? Na ja, das „Studium der Weiber“ ist nicht nur schwer, sondern auch teuer. Und da der größte Bandit der eigene Finanzminister ist, macht der Herzog den Räuberhauptmann gleich zum Polizeichef.

Mehrere Personen in weißen Kitteln und pinken Kochmützen stehen tänzelnd in einer Reihe hinter einem dampfenden Topf.

„Die Banditen“ von Offenbach spielt mit Verwechslung und Machtverschiebungen. Foto: Barbara Aumüller

 

Bühne ohne Gegenwart

Die Regisseurin der Frankfurter Erstaufführung, Katharina Thoma, sieht das Potential des Stückes ganz genau, wenn sie im Programmhaft von Europa und Brüssel, von Korruption und Vetternwirtschaft, von abgehängten Bürgern und Gelbwesten spricht. Doch davon kommt in der Inszenierung nicht viel an. Italienische und spanische Wimpel, ein paar Europaflaggen – vielleicht erinnert noch das Bühnenbild von Etienne Pluss zumindest im ersten Akt an die Europabrücke in Tirol. Aber das war’s dann schon. Dass der ausgeraubte Pächter Fragoletto ein Bio-Bauer ist, hat einen Lacher zur Folge, mehr nicht.

Ihr Handwerk versteht Thoma allerdings. Sie inszeniert das Stück in deutscher Sprache witzig, gekonnt, erfahren. Das Timing stimmt, die Figuren sind gut geführt, haben spielerische Freiheiten, auch wenn jeder Fuß genau gesetzt werden muss. Und Anlässe zu Spiel und Tanz (Choreografie: Katharina Wiedenhofer) gibt es genug unter Brücken, in Gasthöfen und Palästen. Der erste Akt verbindet Räuberromantik mit architektonischer Tristesse, der zweite spanisches Kolorit mit einem rosa Restaurant-Habitat, der dritte abgeblätterten Charme mit weiblichen Reizen. Die Rutsche in den Orchestergraben beziehungsweise den Weinkeller ermöglicht fröhliche Abgänge. Die Kostüme von Irina Bartels sind typen- und zeitgerecht angepasst, die Tänze landesüblich, die Dekorationen hübsch. Alles stimmt und passt, aber irgendwie zu gut. Wo sind die Ecken und Kanten, wo stecken Hintersinn und Zynismus, wo ist der politisch-gesellschaftliche Zeitbezug?

Eine ausgelassene Menge auf der Bühne: Vor lehnen Personen in blauen Hemden auf einer Reling. Im Hintergrund rutschen einige eine pinke Rutsche herunter.

Katharina Thoma inszeniert an der Oper Frankfurt zwar gekonnt, aber auch wenig mutig. Foto: Barbara Aumüller

 

Operette voller musikalischem Spaß

Der Dirigent Karsten Januschke macht alles richtig und hält sich vornehm zurück. Mit dem eher klein besetzten, bestens aufgelegten Orchester spielt er einen schlanken, trockenen, filigranen Offenbach, befreit von falschen Klangvorstellungen. Das Rhythmische und Tänzerische steht im Vordergrund. Farbtupfer werden wohldosiert und dezent gesetzt, die Märsche und Tänze setzen dagegen große Energie frei.

Und das Solistinnen- und Solistenensemble der Oper Frankfurt hält wie auch deren Chor (Einstudierung: Tilman Michael) spielerisch und sängerisch mit, ohne zu überdrehen. Gerard Schneider ist ein leidenschaftlich gutmütiger Falsacappa, Kelsey Lauritano ein zart-liebender Bio-Bauer und Elizabeth Reiter eine agil-draufgängerische Hauptmannstochter mit Führungsanspruch. Ein Kabinettstück gelingt Peter Bronder, der den geilen Bock im Schatzmeister zeigt, der offen, ehrlich und obszön klar macht, dass die Räuber nicht nur im Wald sind. Nur hier deutet die Regisseurin an, wie man die diplomatischen Schweinereien auch hätte zeigen können. Aber da hatten die heitre Laune und die tollsten Schwänke schon Überhand gewonnen.