Foto: Szene aus der Kreation "The Light from the other Side", erster Teil des Abends "Die Dunkelheit des Lichts" © Tom Ray
Text:Bettina Weber, am 9. Mai 2014
Es mag eine Plattitüde sein, aber: Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Ganz im eigentlichen Wortsinne bildet dieses Sprichwort gewissermaßen die Grundlage für die neue Premiere der Delattre Dance Company an den Mainzer Kammerspielen. In dem sechsteiligen Abend erforscht der Choreograph Stéphen Delattre damit abstrakte Themen; hoffnungsvolle Lichtblicke und dunkle Abgründe. Er versammelt dafür zum einen helle und dunkle Kostüme (die er, teils aufwendig-avantgardistisch, teils klassisch-schlicht, selbst entworfen hat). Zum anderen verkettet er verschlungene und auseinanderklaffende Bewegungsmuster, um Licht und Schatten als voneinander abhängige Kontrahenten zu offenbaren.
Sowohl in der ersten als auch in der letzten Kreation des Abends arbeitet er mit dem Gegensatz der Gruppe und des Einzelnen, als sei mal der Tag, mal die Nacht der Außenseiter. Natürlich erschöpfen sich die Ideen nicht nur in dem simplen Gegensatz hell versus dunkel, auch assoziierbare Geschichten über Träume und Nachtwesen werden erzählt. Die Bewegungsformationen verbinden Ideen des klassischen und des modernen Balletts. Sie sind hier fließend und dort wieder bewusst ungelenk, verzerrt, voller Brechungen. Dabei sprechen sie zweifellos eine eigene Sprache – mit Blick auf den gesamten Abend sind sie auch überaus variantenreich. Die Dramaturgie des Abends verläuft allerdings ein wenig eindimensional: Dramatisch soll es sein. Dabei wandert die Stimmung auch mit der Auswahl der Musik (von Hans Zimmer bis Max Richter) häufig ins allzu Tragische ab, manchmal leider auch ins Kitschige.
Zwei Teile des Abends stammen von anderen Choreographen. Die gebürtige Niederländerin Regina van Berkel kreierte mit „Seven Images from the Dark“ eine halb komische, halb groteske, sehr gelungene Komposition mit verstörenden Albtraum- und Barockmotiven zu der Musik „Black Angel“ von George Crumb. Außerdem zeigt die Delattre Dance Company mit „Ring them Bells“ ein etwa sechsminütiges, temporeiches Pas de Deux aus dem Repertoire des Stuttgarter Hauschoreographen Marco Goecke. Das sorgte beim Publikum für viel Begeisterung, fügte sich thematisch jedoch weniger einwandfrei ein als die Choreographie Regina van Berkels, zumal Goecke das Stück ursprünglich für eine Weihnachtsgala entworfen hat. Trotzdem: Für die freie Mainzer Compagnie ist es ein ziemlicher Coup, sich einen so großen Namen auf die Fahnen schreiben zu können. Dass es sich um keine neue Arbeit Goeckes handelt, ist da vielleicht zweitrangig. Ein ambitioniert-aufwendiger Abend, der viele gelungene Formen zeigt, leider aber auch nicht ganz am Kitsch vorbeikommt.