Büchner führt in seinem Fragment die Zwangsläufigkeit vor, wie ein Mensch in einen kreatürlichen Zustand jenseits der Zivilisation zurückgeworfen wird, wenn ihm die Gesellschaft keine Chance gibt. Aber mehr noch wird der Mensch zu einem animalischen Wesen, der seinen Instinkten ausgeliefert ist. Iris Keller treibt in ihrer Inszenierung mit der Gruppe „puls_de_kern“ diesen Aspekt ins Extrem: Der Woyzeck des Marius Kob agiert in einer Eselsmaske, die Marie der Anne Brüssau agiert mit einer Katzenmaske und alle wie Hauptmann oder Doktor in einer Affenmaske (Maskenbau: Jan Vagner). Da neben dem Entertainer und Musiker Marius Alsleben, der die Inszenierung gekonnt mit seinen Ansagen und Liedern vorantreibt, nur Kob und Brüssau spielen, lassen sich mit den Masken auch die Rollen tauschen. Iris Keller und das Ensemble beherrschen dieses Spiel perfekt. Da wird mitten in der Szene die Maske getauscht und eine neue Maske angenommen, ohne, dass es im Spiel zu einem Bruch kommt.
Räumekarussell
In der Fassung von „puls_de_kern“ beginnt „Woyzeck“ mit der Begrüßung des Publikums und dann mit der Jahrmarktsszene, in der ein Pferd als Attraktion vorgeführt wird. Blitzschnell wird dabei das von Oliver Klauser entworfene Lattengerüst zum Karussell, immer neu ineinandergeschoben oder auseinandergezogen werden schnell Räume geschaffen, so dass ein hohes Spieltempo entsteht. Unterstützt wird dieses durch die gelungene Animation der Masken, die einmal von der Hand vor dem Körper geführt werden, zum anderen vor dem Gesicht oder aufgesetzt geführt werden. Die kurzen Kommentare und Lieder von Marius Alsleben schaffen nicht nur Atmosphäre, sondern treiben die Aufführung voran.
Iris Keller hat mit „woyzeck creature“ eine beklemmende Studie über die Kreatürlichkeit der Figuren bei Büchner in Szene gesetzt. Dass diese dabei mit der Reanimalisierung des Menschen verbunden ist, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.