Foto: Szene aus ”Ritter, Dene, Voss" am Theater Konstanz © Ilja Mess
Text:Manfred Jahnke, am 31. Januar 2016
Einst waren die Stücke von Thomas Bernhard Kult. Aber irgendwie sind die in ihren Hasstiraden gegen Gesellschaft und Kunst zwanghaft isolierten Großbürger, dekadent eingerichtet in ihrem Luxus, aus der Wirklichkeit entschwunden. Wie Ludwig Worringer in „Ritter, Dene, Voss“ in der Psychiatrie, die Hommage des Dichters an die drei großen SchauspielerInnen. Nicht zufällig lässt der Name Ludwig Wittgenstein assoziieren. Um die Geschichte des Ludwig, der von seinen beiden Schwestern in die Herrschaftsvilla nach Döbling zurück geholt wird, baut Bernhard einen philosophischen Kosmos auf, der nicht nur mit Schopenhauer nach dem Sinn des Lebens sucht oder mit Namen spielt, wie dem Arzt Frege, eine Anspielung auf den Logiker Gottlob Frege. Im Zentrum aber besteht die Beziehung zwischen den Geschwistern, in die sich inzestuöse Liebe einmischt und doch nicht ausgelebt werden kann.
In seiner Inszenierung am Theater Konstanz, an dem Gerd Voss einmal seine große Karriere begann, nimmt die Regie von Oliver Vorwerk dem Stück alle großbürgerlichen Bezüge. Einzig die rotsamtenen Kleider der Schwestern und ein Kronleuchter erinnern noch an eine solche Vergangenheit. Die Bühne von David König, auch für die Kostüme zuständig, ist ein auf der Drehscheibe montiertes großes schräges Podest, auf dem zwei Türen stehen, eine führt zur Küche, die andere zum Bad. Handlungsorte werden nicht aufgebaut, sondern – ähnlich wie bei „Dogville“ von Lars von Trier – die Grundrisse werden mit Kreide aufgemalt, auch der Esstisch, der dann auch schon einmal ausgewischt und dann neu gemalt wird. Ein Glas Rotwein, ein Plattenspieler, ein Bildprojektor stehen auf der Spielfläche herum. Wenn die Schräge nach hinten gedreht wird, dann erscheint eine Rampe mit einer kleinen Tür und einem kleinem Fenster, beide nur wenig angespielt.
Ein solches Bühnenbild betont das Modellhafte der Handlungen und vertraut mit dieser leeren Bühne den Schauspielern. In der Tat bringt Oliver Vorwerk sie mit seiner straffen Schauspielerführung weit. Ralf Beckord arbeitet trotz aller Ausbrüche einen verschmitzten Ludwig heraus, der sich bewusst nach Steinhof (der Psychiatrie) als sein Philosophenklause zurückgezogen hat, ohne entmündigt zu sein. Gegen die „Worringerhölle“, die seit dem Tod der Eltern nicht verändert worden ist, wehrt er sich mit dem Wunsch nach Befreiung , wie auch gegen den „exzessiven Infantilismus“, die die Geschwister zusammen schweißt und ihr Scheitern begründet. Allerdings treibt Beckford seine Rolle nicht zum „Gewalttäter mit philosophischen Absichten“, wie die jüngere Schwester einmal ihren Bruder beschreibt.
Eine Schwierigkeit der Inszenierung ist, dass es ihr zwar gelingt, die Haßliebe und die scheiternden Befreiunngsversuche der Geschwister klar zu konturieren, aber das darunter liegende Begehren bleibt unterbelichtet. Obschon die roten Kleider Erotik versprechen, gelingt es Jana Alexia Rödiger als ältere und Friederike Pöschel als jüngere Schwester nicht, das Flirren des Begehrens vorzuführen, das Movenz ihres Handelns ist, die Schwestern zu Konkurrentinnen macht und etwas vom Höllenfeuer verraten würde. Dennoch zeigt sich in dieser Konstanzer Inszenierung eine hohe Sprechkultur.