Foto: Julia Stemberger als Jeanne d'Arc. © Christian Zach
Text:Wolf-Dieter Peter, am 13. Dezember 2012
Stürmischer Beifall in der Alten Kongresshalle auf Münchens Schwanthaler Höhe – dabei hatte das heimatlos von Spielort zu Spielort ziehende „Staatstheater ohne Gärtnerplatz“ von Licht-Altmeister Max Keller nur wechselnde Farbmischungen für das vollbesetzte Podium zu bieten. Den Rest an dramatischer Expression mussten die Solisten für die „viertelszenische“ Aufführung von Arthur Honeggers dramatischem Oratorium leisten.
Grundsätzliche Zweifel am Werk blieben. Autor Paul Claudel, damals führender Kopf der katholischen Erneuerungsbewegung Frankreichs, entschuldigt den grässlichen Kirchen-Mord an der 19jährigen Jeanne d’Arc mit zwei theatralischen Tricks: Er deutet zum Einen den in Inquisitionsblut förmlich watenden Dominikaner-Orden durch den Jeanne wohlwollend begleitenden „Bruder Dominik“ um; zum Anderen lässt er die auf „Verbrennen der Ketzerin“ fixierten, heillos korrupten Kirchenoberen nicht als Vertreter der „wahren“ Amtskirche gelten. Da sind die Dramatiker Shaw oder Anouilh ehrlicher und Theodor Dreyers Stummfilm-Bilder der gefolterten Jeanne erschüttern bis heute.
Diese Vorbehalte kann die Komposition Honeggers in der Fassung von 1944 oft übertönen. Zwar griffen sowohl Michael von Au als Dominik als auch Julia Stemberger zu oft zum staatstheaterlich „hohen Ton“ mit unangemessenem Pathos, auch störte Stembergers S-Fehler mehrfach. Doch in der als große Rückblende auf den Scheiterhaufen angelegten Musik sind es die vielfältigen Stimmungen, die beeindrucken. Da gibt es klanglich gefasste düstere Einsamkeit. Dem steht der Trubel des Krönungsfestes gegenüber, wo Saxophone fast Foxtrott-Klänge durchscheinen lassen neben dem Volkslied des „Carillon“. Barocke Hoftänze und Königsmärsche werden musikalisch überzeichnet. Stärker beeindruckt dann der geradezu unirdisch „schöne“ Gesang der Heiligenstimmen – was dem Mezzo von Ann-Katrin Naidu und dem Alt von Snjinka Avramova traumschön gelang. Julia Stemberger hielt im kettenhemdartigen Lamé-Kleid stehend nicht nur über die 80 Minuten hindurch die Spannung, ihre kindlich gesungenen „Trimazo“–Liedstrophen beeindruckten in ihrer Schlichtheit am meisten. Sie alle, auch die in Mehrfachrollen geforderten übrigen Solisten,den verstärkten Chor, den Kinderchor und das verstärkte Gärtnerplatzorchester führte Marco Comin mit sehr genauer Zeichengebung durch die hörbar verschiedenen Ton– und Farbstimmungen. Die Finalszene, in der Todesangst und Schmerzen vom Triumph gläubiger Liebe übergipfelt werden, geriet groß und gekonnt klangtosend: zu Recht einhelliger Jubel.