Foto: Alptraum in der Schule: Dämonen kommen durch die Tafel. Der fiese Geist Lord Stourton (Bernhard Landauer) und sein Gefolge bedrohen Jon (David Fischer, am mittleren Pult). © Thilo Beu
Text:Andreas Falentin, am 3. Dezember 2017
Am Ende feierte das Vielgenerationenpublikum die wohl weltweit erste Veroperung eines Buches von Megasellerin Cornelia Funke enthusiastisch und ausgelassen. Die große Stärke von Erik Petersens Inszenierung ist die weiträumige, wirkungsmächtige und vor allem timingsichere Kombination der Klänge von James Reynolds mit den Bildern des sonst als Videozuarbeiter bekannten Duos fettFilm.
„Geisterritter“ ist, wie so viele erfolgreiche Kinder- und Jugendbücher von „Hanni und Nanni“ bis „Harry Potter“ eine in Großbritannien spielende Internatsgeschichte. Der Junge Jon fühlt sich von Mutter und Stiefvater nach Salisbury abgeschoben und wird da bereits an einem der ersten Tage von Geistern mit dem Tode bedroht, die ihn mit dem Mädchennamen seiner Mutter anreden. Fast zeitgleich freundet er sich mit der allseits umschwärmten Ella an, die durch ihre spinnerte Großmutter ziemlich geisteraffin ist und Jon rät, sich der Hilfe William Longspees zu versichern, eines Halbbruders und Kampfgenossen von Richard Löwenherz, der als Geist eine diffuse Schuld durch Hilfsbereitschaft abbüßt und in der Kathedrale von Salisbury begraben liegt. Longspee hilft Jon in mehreren Auseinandersetzungen mit dem bösen Obergeist Lord Stourton und Jon seinerseits verschafft Longspee sein verloren gegangenes Herz, so dass dieser nach über 800 Jahren zu seiner Frau zurückkehren kann. Zarte Annäherung von Jon und Ella, Party, Schluss.
Das klingt profan und ist es auch, was aber nichts macht. Denn diese Produktion ist auf allen Ebenen durch und durch lebendig und hält sich über weiteste Strecken vom Kitsch frei, weil sie ihn nur antippt und reflektiert, weil sie kaum je in die Realismusfalle tappt und künstlich bleibt und weil sie den Raum fast immer öffnet, statt ihn durch leere pathetische Symbole zu verschließen. fettFilm haben, überraschend gerade nach ihrer plumpen Reizüberflutung anlässlich von Verdis „Giovanna d’Arco“ am selben Ort, nicht nur eine effektreiche, sondern vor allem eine leichtfüßige Ausstattung geschaffen, die der Erzählung dient und in den besten Momenten, etwa bei den tanzenden Orgelpfeifen im ersten Teil oder dem augenzwinkernden Experimentalhorrorfilm nach der Pause, mit ihr spielt. Dazu trifft sich die Optik glänzend mit der lustvoll eklektischen Musik von James Reynolds, dessen Broadwayerfahrung man genauso hört wie seine Vertrautheit mit Electro- oder Synthi-Pop und natürlich klassischer Satztechnik. Streicherteppich trifft E-Gitarre, Saxophon, Kontrafagott und eine ganze Legion von Posaun- und Perkussionisten. Da gelingen viele schöne Nummern, am schönsten vielleicht das Terzett der balzenden Pennäler am Ende der Kissenschlacht. Gerade im ersten Teil wird nach etwas ruckeligem Anfang – wo nicht sehr erfolgreich versucht wird, mit einem groß dimensionierten, klein abgefederten Geister- und Monstertableau a la „Tanz der Vampire“ ein bis zwei Metaebenen zu etablieren – wunderbar fließend und charmant erzählt, mit vielen reizvollen, nie aufgesetzten ironischen Brechungen. Ein Clou dabei sind die „Kröten“. Der formidable Schauspieler und Tänzer Cedric Sprick breakdanct und hiphopt, flankiert von zwei Jungs aus dem Jugendchor des Bonner Theaters, dass es eine Freude ist. Die Sounds geben Musik und Text eine zusätzliche, auflockernde wie verlockende Dimension, zumal Sprick sie extrem unaffektiert vermittelt. Das zweite große Pfund, mit dem die Bonner „Geisterritter“ wuchern, ist der Bösewicht. Bernhard Landauer serviert seine ironischen Phrasen mit großer Aura und noch größerer Spiellust, singt mit seinem glänzend durchgebildeten Countertenor mühelos so absurde wie absurd hohe Skalen und wickelt das Publikum mit sardonischem Charme um den kleinen Finger, ohne ihm Angst zu machen – oder höchstens ein ganz klein wenig. Und David Fischer und Marie Heeschen geben das zentrale, junge Paar mit einnehmender Frische und schöner Musikalität.
Natürlich gelingt nicht alles. Das Idol Longspee etwa, für den man immerhin den wunderbaren lyrischen Bariton Giorgos Kanaris zur Verfügung hat, bleibt in gleich mehrfacher Hinsicht blass, wird durch diese Komposition nicht wirklich zum Leben erweckt. Dazu wirkt der zweite Teil ein wenig ‘runtererzählt, ergibt sich nicht mehr eins aus dem anderen, sondern werden nur noch die Handlungselemente abgearbeitet. Aber Tempo, Bild- und Klangphantasie tragen auch über diese schwächeren Momente. Nach etlichen Vorstellungen in Bonn kommt die Inszenierung in den nächsten Spielzeiten nach Dortmund und an die Deutsche Oper am Rhein. Man darf sich dort darauf freuen.