Alkoholsucht, Glaubensfragen und die untergeordnete Rolle der Frau sind The-men, um die Hauptmanns soziale Dramen kreisen. Die dynamische Regie kehrt diese antiquierten Diskurse nicht unter den Teppich. Poths Kunstgriff liegt darin, dass er die Akteure in Grenzsituationen peitscht, die auch heute nachvollziehbar sind. Wendelin Hejnys traumatische Bühnenmusik ebnet den Weg in die Psyche. Dunkle Klangwelten wechseln sich ab mit leichten Melodien. Um den alkoholkranken Vater, von Udo Rau scharf karikiert, einzuführen, greift er in die Schlagerkiste: „Papa wird’s schon richten.“ Auch die Haushälterin Lehmann, für die Patrick Seletzky in aufreizende Frauenkleider schlüpft, setzt komische Akzente.
Jenseits dieser fein gestichelten Ironie geht Poths Inszenierung in die Tiefe. Eine Schlüsselfigur ist, anders als im Text, die christlich-dogmatische Mutter. Die bigotte Frau lässt Hildegard Maier Macht über die Kinder gewinnen. Drohend steht sie hinter dem Sohn, die frostige Stimme klingt dämonisch. Der Maler und Freigeist Braun, bei Martin Maria Eschenbach ein doppelzüngiger Freund, schlägt in der ersten Szene auf Johannes ein. Ein starkes Bild für die destruktive Kraft seiner Familie, die seinen Geist zerstört. Diese Blutspur zieht sich durch den zweieinhalbstündigen Abend, der keinen Leerlauf hat.