Foto: Spotlight auf Musas Schickal: "Getürkt" am Theater Bonn © Lilian Szokody
Text:Hans-Christoph Zimmermann, am 11. Januar 2013
Der 18-jährige Musa fühlt sich als Deutscher, gilt als Libanese und wird plötzlich zum Türken. Eine Tripelidentität, die man erst einmal bewältigen muss. Musas Eltern stammen aus der Türkei, gaben sich aber in den 1980er Jahren als Libanesen aus, um in Deutschland Asyl zu erhalten. Ihr Sohn wird in Berlin geboren: Als die Ausländerbehörde die falsche Identitätsangabe entdeckt, wird Musa abgeschoben.
Jörg Menke-Peitzmeiers Stück „Getürkt“, das für den Deutschen Kindertheaterpreis 2012 nominiert ist, beruht auf einem wahren Fall und vollzieht in kurzen Szenen die Abschiebung nach. Musa begegnet im Knast einem Serben; seine Freundin Ceren ist selbst Türkin mit deutschem Pass, studiert Germanistik und versucht ihm Türkisch beizubringen; die soapartig überdrehten Mitarbeiter der Ausländerbehörde machen eine Fortbildung in Istanbul und treffen dort Musa wieder, der dort im Flughafen haust. Das Stück will den Identitätsverlust des jungen Mannes zeigen, was angesichts der holzschnittartigen Szenen aber nur halbwegs gelingt. Regisseurin Marita Ragonese betont in der Bonner Werkstatt die schlaglichtartige Struktur der Szenen und verdichtet sie gelegentlich zu symbolhafter Deutlichkeit, ohne dabei auf realistische Zeichen zu verzichten. Bühnenbildnerin Daniela Hohenberger hat dafür einen Raum aus verschieden großen Containern entworfen, aus denen Spielorte wie Zelle, Bibliothek, Sitzreihe im Flugzeug heraus geklappt werden.
Sinan Hancili als Musa gelingt zwar überzeugend das Schwanken zwischen Wut und Depression, doch das emotionale Feintuning einer identitätslosen Existenz bleibt er weitgehend schuldig. Anders Elmira Rafizadeh als Musas Freundin Ceren, die eindringlich die Zerrissenheit zwischen eigenem Studium und Hilfe für den Freund in der Türkei rüberbringt und vor allem in den Monologen anrührende Momente hat – auch wenn das Pathos etwas dick aufgetragen wird. Die Szenen mit Mitarbeitern des Ausländeramts (Fabienne Trüssel, Hans H. Diehl, die beide nicht überzeugen können) werden zum Teil als Video, zum Teil live (ein)gespielt. Die Koproduktion des Theaters Bonn mit dem Theater Baal Novo in Offenburg krankt vor allem an den unterschiedlichen Leistungen des Ensembles – da wäre mehr drin gewesen, trotz des mittelmäßigen Stücks.