Zärtliches Beziehungsgeflecht
Bereits 2022 für das Nationaltheater Mannheim entstanden ist das zweite Stück des Abends: „The Little Men“ von den Geschwistern Imre und Marne van Opstal, das nun erfreulicherweise neu einstudiert wurde. Zwischen einer dreigeteilten Sprossenwand (auch die Ausstattung stammt von den beiden Niederländer:innen), die an eine Sporthalle, aber auch an ein Gefängnis erinnert, tanzen Paloma Galiana Moscardó, Leonardo Cheng und Albert Galindo auf engstem Raum und wie unter einem Brennglas ein zärtliches, hochgradig kunstvolles Beziehungsgeflecht. Die Arme mittig einander berührend, laufen sie zunächst im Kreis, um dann nach und nach das Gerüst auf immer neue Weise zu erkunden; vereinzelt oder ineinander verschlungen, sich gegenseitig langsam tragend oder auffangend. Immer wieder fällt eine:r der Tanzenden in die schützenden Arme der Anderen, steht das choreografische Vokabular (mit Anleihen aus dem Yoga) für absolute Hingabe – getaucht in warmes, konzentriertes Licht (Nicole Berry/Imre und Marne van Opstal). Ein gleichermaßen sinnfälliges wie eigenwilliges und unvergessliches Tanzstück.
Forcierte Rhythmen
Ganz im Kontrast zu dieser entschleunigten Zentriertheit steht die dritte und letzte Kreation des Abends. Dabei startet auch „Well Done“, eine Uraufführung von Nadav Zelner, zunächst eher gelassen: In einem breiten Kasten mit Glasfront und vergoldeter Rückseite (der unwillkürlich Assoziationen an einen Warteraum weckt) plaudern und lungern die Tänzer:innen herum, rauchen Theaterzigaretten, während die Techniker:innen am Ende der Pause noch live mit dem Umbau der Bühne beschäftigt sind, die nun zu beiden Seiten von flachen Lüftungsschächten gesäumt wird (Bühne: Eron Atzmon). Die Kostüme der Tänzer:innen (Maor Zabar) sind über und über mit überdimensionalen Brandflecken bedeckt. So weit, so klar die Symbolik: Hier geht es um den Abschluss, das Ende einer Liebe. Mit Einsetzen der Musik – hier setzt Nadav Zelner wie schon in anderen Kontexten auf starke Rhythmen, in diesem Fall auf Flamenco – beginnt dann eine Choreografie, die es in Sachen Schnelligkeit, Forciertheit und Kulmination in sich hat: Stakkatoartig werden Arme und Beine geschwungen und gestoßen, trippeln und stoben die Tanzenden zueinander und voneinander weg – eine auch konditionell beeindruckende Leistung des Mannheimer Tanzensembles. Mitunter verstärken die Tänzer:innen den Rhythmus der Musik durch Schläge etwa auf den Boden oder die eigene Brust sowie auf den Kopf: der Widerstreit zwischen Vernunft und Gefühl als Sinnbild des Liebeskummers. Zelners choreografische Ausdrucksmittel sind unmissverständlich, ohne zu vereinfachen. Wenn etwa drei der Tänzerinnen in schwarzen langen Kleidern und Schleiern als Witwen auftreten, treffen Gesten des Stolzes und der Trauer auf eine Mimik der Befreiung – eine von vielen unvergesslichen Szenen. „Well Done“ ist auch dramaturgisch ein starker Abschluss für diesen insgesamt lohnenden Dreierabend.