Sonst geschieht nicht viel. Die Schauspieler tragen diesmal keine Masken, wirken aber dennoch roboterhaft, unmenschlich, kalt – es liegt am Klebeband, das die Haut um ihre Augen nach hinten zieht wie bei einem extremen Face-Lifting. In schrillen Leggins oder seltsamen Plastikanzügen sitzen sie in den Kammern und bewegen ihre Lippen zum Text aus dem Off. Nur Dieter Rita Scholl schreitet esoterisch beseelt über die Bühne und raunt einem ein Nietzsche-Zitat zu. Erst gegen Ende kommt mehr Bewegung in die Spieler, Füße werden gesalbt, Avatare von der „Inkubationsstation“ bedeutungsschwer ins nächste Leben getragen.
Menschen der Zukunft sollen diese Roboter darstellen, Kennedy bezeichnet sie als Schamanen, als Gastgeber oder Heiler. Ihre Worte sind, wie schon bei „Women in Trouble“, Kennedys erster Arbeit an der Volksbühne, die unter der Leitung von Chris Dercon zustande kam, hanebüchen esoterisch. Der Weg zum Licht soll eingeschlagen, die Entwicklung des Bewusstsein durch Wiedergeburt vorangetrieben werden. „There is only one way for you: It is a total, complete and unconditional surrender.“ Der Pfad durch die Widerstände des Lebens führt, heißt es, nur durch die bedingungslose Kapitulation. Alles muss für das Göttliche geschehen, alle Gefühle und Bindungen losgelassen werden.
Für die Erkenntnis, der alte Mensch müsse sich selbst überwinden, zieht Kennedy Nietzsche heran – innerhalb dieses Psycho-Trips eine höchst abenteuerliche Verortung des großen Denkers. Kennedy kreiert eine abstruse, assoziative Mischung aus pseudophilosophischen Geraune und spiritistischer Erweckungssitzung. Komplett auf Englisch – und es ist wahrlich nicht das Schlechteste, dabei nicht jedes Wort zu verstehen.
Man mag es kaum glauben, doch für Kennedy ist diese „Coming Society“ eine Wunschwelt. Mit geradezu befremdlichem Optimismus beschwört sie in Interviews die „ungeahnten Möglichkeiten“ der Technikwelt, die uns womöglich bei der „Transformation“, beim „Wachstum“ unseres Selbst behilflich sein könnten. Zu sehen ist jedoch ein Schreckensszenario. Menschen, die ihr Menschsein, ihre Individualität, ihre Gefühle überwunden haben – eine gleichgeschaltete Brave New World, wie sie Aldous Huxley nicht besser hätte eralbträumen können.
Wie auch immer man Kennedys Weltsicht bewerten mag – das Problem dieser Installation, die deutlich besser im Museum aufgehoben wäre, liegt in ihrer theatralen Ereignislosigkeit und ihrem (analyse-)schwachen Text. Als sich Kennedy noch an Stücken von Marieluise Fleißer und Rainer Werner Fassbinder abarbeitete, zeigte sie neue Blicke auf die Figuren jener Zeit, Menschheitsstudien. Nun jedoch klittert sie ihre Texte aus, wie sie sagt, Fernsehserien, Airbnb-Inseraten und Internetschnipseln zusammen. Auch wenn die Bühne von Markus Selg zunächst beeindruckt – ein sogenanntes immersives Erlebnis, ein Eintauchen in diese Welt, findet nicht statt. Dafür haben die Avatare (zum Glück!) viel zu wenig mit uns zu tun.