Foto: Juliane Koren und Stefan Haschke in der Uraufführung Männer Frauen Arbeit © Kerstin Schomburg
Text:Jens Fischer, am 10. Dezember 2012
„Ich sage, dieser Staat ist genauso verschissen, wie es der letzte war. Er ist weder besser noch schlechter. Er trägt das gleiche fette Verfressungsgesicht, die gleiche fiese Fratze, nur in einer anderen Farbe“. So grollt es aus Oliver Klucks persönlicher Abrechnung mit seiner ehemaligen und heutigen Heimat. Ein Blick zurück im Zorn und ebenso nach vorn. Und da wir ja alle immer noch auf das große Drama zur Wende warten, sucht Regisseur Markus Heinzelmann nach Bildern für die Empörung, dass die Moral der Marktwirtschaft ebenso verrottet ist wie es die in der SED-Diktatur war. Das Leben in beiden Systemen: entwürdigend. Oder genauer: lächerlich. Da sind die feigen Mitläufer, „ihre als Alltagskultur gelebte Blödheit“. Da sind die Beamten mit ihrer Arbeitsphilosophie des Nichtstuns, ergänzt durch hämische Arroganz. Nachdem so Männer und ihre Arbeit schnell verspottet sind, das Auftragswerk fürs Deutsche Schauspielhaus aber „Männer Frauen Arbeit“ betitelt ist, muss auch die Weiblichkeit noch ihr Fett abbekommen. Während des Beischlafs lässt also ein SED-Bonze dem Publikum mitteilen, was ihn an seiner und grundsätzlich jeder Frau nervt, dann fragt sie, was er so denke – und bekommt zur Antwort: Er koste gern an ihren primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen. Was aber auch egal ist, denn Kluck formuliert gleich hinterher und Heinzelmann inszeniert es: Sex wird total überschätzt. Wenn die DDR dann ihren letzten Atemzug röchelt, liegt im Privaten also längst alles in Schutt und Asche. Da bleibt nichts. Leider nicht mal ein Theaterspaß. Vielleicht läuft deswegen ein Bühnenarbeiter mit schwarzem „Suicidal tendencies“-T-Shirt herum.
Kluck diskutiert nicht, differenziertes Zuendedenken scheint ihm ein Graus, er feiert lieber seine alles ablehnenden Meinungen. Manchmal gelingen dabei witzige Sprachspielereien, manchmal irrwitzige Vergleiche: „Wie der Kapitalismus ist der Krebs eine reine Zivilisationskrankheit. Kaum hat er einen Laden eröffnet, muss er auch schon den nächsten aufmachen“. Der Text sieht auf dem ersten Blick zwar dialogischer geschrieben aus als die bisher uraufgeführten Suaden, kommt aber genauso aggressiv, szenisch und gedanklich sprunghaft, unfertig daher. Ist auch wieder ein drauflosmäandernder Monolog. Denn Kluck entwickelt und charakterisiert keine Figuren, skizziert nur Klischees, nennt sie „Ganzoben“, „Tochtersohn“, „Sicherdoch“. Die meisten Sprechakte aber sind „ich“ zugeordnet. Kluck ist viele: alle die ihn prägten und zum Das-lass-ich-mir-nicht-bieten-Denken anregten. Hass trifft Selbsthass. So gerät Kluck beim Schreiben immer weiter in Rage, federt diese aber ab und an mal selbstironisch ab. „Beschwerdeprofi“ nennt er sich und erwähnt auch zwei Wutbürger, die mit Gift und Galle kulinarisch sternewürdigere Theatermenüs kochen konnten/können: Thomas Bernhard und Sibylle Berg.
Mit resolutem Regiezugriff hätte es gelingen können, hinter die Rundumschlagtaktik Klucks zu schauen. So wie Antú Romero Nunes aus dem improvisatorischen Gestus des „Prinzips Meese“ ein jugendliches Lebensgefühl destillierte. Wie Anna Bergmann die „Froschfotzenlederfabrik“ zur prachtvollen Revue aufforstete, um den Wienern die DDR zu erklären. Oder wie Alice Buddeberg mit der Büroalltagssatire „Warteraum Zukunft“ etwas Grundsätzliches zur kapitalistischen Arbeitswelt sagen konnte. Markus Heinzelmann aber sucht vordergründige politische Brisanz, setzt trotz exzellentem Ensemble nur auf lustig-böses Trallala, reiht Kabarettnummern aneinander. Ratlos, irgendwie. Und ziellos. Wenn der Untergang der DDR mit dem Trojas parallelisiert wird, hat das zwar einen hübschen Stummfilm-Ulk zur Folge, kommt aber ohne analytische Tiefenschärfe daher. Den ganzen Abend über gibt’s viel Nebel, alle paar Minuten eine Gesangseinlage und die üblichen Live-Video-Spielereien. Aktionsreich laut wird Erregungsliteratur im Leerlauf vorgeführt. Das Publikum dämmerte vielfach still gelangweilt vor sich hin.