Allerdings hat Laura Scozzi für die Escort-Damen den Befreiungsschlag eingebaut, denn sie drehen plötzlich den Spieß um, fallen einzeln über ihren Kavalier her und bewerfen ihn mit den Geldscheinen, die er sonst so gerne als harte Währung der eigenen Macht verteilt. Netter Gedanke, da hat die Regie den vorherigen mit der Migranten-Umkehr allerdings bereits vergessen.
Kurzum, es wird niemand der verstaubten ambitionsfreien Opernhandlung nachweinen, aber mit der neuen anspruchsvollen Interpretation ist auch nichts gewonnen. Für die musikalische Seite sowieso nicht. Dirigent Guido Johannes Rumstadt lässt sich von den szenischen Reizfluten überspülen, wo er die klingende Komik wie einen Damm zum schäumenden Aufprall der Emotionen bauen könnte. Seinem sängerfreundlich diskreten, aber sehr pauschal geradeaus gelenkten Rossini-Sound fehlt der kantige Schliff, die feinmechanische Dynamik der Komposition, die Explosivität der kleinen Geste. Selbst beim Finale des ersten Akts, wo die totale Konfusion aller Beteiligten mit atemberaubender Raffinesse wie eine vorweggenommene Dadaisten-Orgie notiert ist, versickert die Anarchie im Triumph der Unfallfreiheit.
Die Solisten jonglieren gekonnt mit den Comedy-Schablonen der Regie, sie fürchten weder Gags noch Unterhosen. Ida Aldrian als resolut dreinschlagende Isabella aus Italien mit hübschen Mezzo-Kapriolen und Ina Yoshikawa, die als unterdrückte Ehe-Altlast Elvira den Tiefschlag ins Macho-Zentrum mit Sopran-Gezwitscher erlernt, kosten die süffige Dramatik der Koloraturen aus. Bei den Herren kämpfen Marcell Bakonyi (Mustafà) und Martin Platz (Lindoro) tapfer mit der vokalen Artistik. Der Herren-Chor imponiert mit seinen fliegenden Rollen-Wechseln, er singt arbeitgeberfreundlich „Eine Frau ist zur Sklavin geboren“, steigt in Rocker-Kluft um, macht ein wenig Antiken-Chor, wiegt sich im Takt und flieht dann unter eindeutig weiblicher Autorität massenhaft zurück in die Heimat zu den Freunden der italienischen Oper. Da bleibt Mustafà in tiefer Sorge um seine Männlichkeit allein zuhaus, die Erotiktänzerin wird`s schon richten.
Das Premierenpublikum fand es irgendwie ganz lustig.