Foto: Rolf Romei (Parsifal) und Alfred Walker (Amfortas) im Basler "Parsifal". © Tanja Dorendorf / T+T Fotografie
Text:Tobias Gerosa, am 8. April 2011
Vor dem Orchester steht ein Arbeitstisch: Kinderfoto, Ritterfigürchen, Tischlampe. Noch vor dem geheimnisvoll raunenden Vorspiel von Richard Wagners Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ im Theater Basel setzt sich „der Autor“ (Allan Evans) dahin. Er könnte Wagner sein, das deuten die gebeamten Zitate an. Gerade so gut – vielleicht macht das in diesem Fall auch keinen Unterschied – eine seiner Figuren auf der Suche nach jener „Erlösung“, welche dieses letzte Stück Wagners für die einen zur religiös überladenen Sitzprobe und für die andern zum genialen, transzendentierenden Mythos macht. Diese Autorfigur, sie erweist sich später auch als Titurel (den greisen Gralskönig), leidet und spricht mit den Figuren auf der Bühne mit und durchlebt mit ihnen die Handlung um den reinen Toren Parsifal, der der Versuchung widerstehen und das Mitleid lernen muss, um Amfortas von seiner Wunde heilen und die Welt (oder mindestens die männerbündlerische Gralsgesellschaft) erlösen zu können.
Benedikt von Peter deutet den „Parsifal“ ganz von der erfundenen Autorfigur aus und lässt auf fast nackter Bühne spielen. Immer ist klar: Hier wird eine Geschichte gespielt oder eben gerade erfunden. Amfortas (Alfred Walker mit schönem Timbre, aber etwas neutral) wird zum ersten alter ego des Autors, das zweite ist erstaunlicherweise der böse Gegenspieler Klingsor (der bellende Stefan Stoll). Aber auch Kundry, der gefährlichen Verführerin bringen Autor und Regisseur offenbar Sympathie entgegen, sie ist in Ursula Füri-Bernhards Interpretation auch ungewöhnlich menschlich gesungen und gespielt. Die Personenkonstellation wir durch die ständige Präsenz von Amfortas und Autor aufgesprengt und neu gemischt, plötzlich verlaufen Konfliktlinien ganz anders. Man schaut wie neu – und fragt sich doch immer mehr, was man dabei über „Parsifal“ erfährt. Als Verstärkung der Doppelrolle Amfortas-Autor treten leitmotivisch Zwillingspaare auf, zwei Knaben – Titurel und Amfortas von einst? – spielen Fußball. Auch wenn sich die Handlung am Schluss mit der Wiederkunft Parsifals und seiner Machtergreifung aus der Hand des Autors emanzipiert: Die naturalistisch verwendeten Symbole wie der getötete Schwan, der Lanze oder der immer präsenten Glasschüsselgral werden inhaltlich nicht gefüllt, die Regie drückt sich um die zentralsten Fragen des Stücks.
Dirigent Axel Kober und das Sinfonieorchester Basel geben mit ihren langsamen Tempi eher ein weihevolles Verständnis vor. Klanglich steigerten sie sich bei der Premiere zu immer farbigerem Spiel mit großer dynamischer Bandbreite. Erfreulich, wie wenig Kober reine Kraft setzt, die Akzente klar herausarbeitet, den Apparat dann aber sofort wieder zurücknimmt. Liang Lis textverständlicher Gurnemanz profitiert davon, noch mehr aber das Basler Ensemblemitglied Rolf Romei in der Titelpartie. Er bewältigt sie (fast) ohne Forcieren durch gute Fokussierung und intelligente Einteilung, in der Gesang und Spiel perfekt übereinstimmen. Trotzdem ist dieser „Parsifal“ basel-untypisch durch die offen bleibenden Leerstellen weniger Hinterfragung als Feier eines problematischen Werks.