Schweigen und Albträume
Es ist eine minimalistisch kühle Versuchsanordnung, die den Schauspielerinnen und Schauspielern wenig Raum für Seelentiefen auslotende Auftritte lässt. Angela Falkenhan ist mit einem seitlich abstehenden Zopf die Museumsleiterin, die ihre Rede zu Eröffnung des Hauses mit den üblichen Floskeln probt. Holger Kunkel gibt in einem saloppen Mantel mit großen aufgenähten Taschen den Geheimdienstchef Adam, einen alten Fuchs und Mentor seines Nachfolgers Sam, der bei Moritz Peschke reichlich blass bleibt. Und dann gibt es noch Adams Tochter Leila (Gioia Osthoff) und den Neurologen Dr. Nader (Tim Al-Windawe).
Ihnen allen kommt die darstellerisch undankbare Aufgabe zu, den Zustand politisch verordneter Amnesie plausibel zu machen. Den Menschen ist die Erinnerung an die brutale Vergangenheit ausgetrieben, der Sieger, Assad, schreibt die Geschichte. Und in dieser Lesart gibt es nur einen Schuldigen für das Desaster: die Terrororganisation IS, der sogenannte Islamische Staat. Doch das Trauma lässt sich nicht zum Schweigen bringen. In Albträumen kehren die Gräuel des Krieges wieder, in Splittern, hochschießenden Bildern der toten Schwester, des abgeführten Vaters.
Die emotionale Wucht von Omar Abusaadas trockener Inszenierung ist auf die Leinwand verlagert. Sie zeigt erschütternde Bilder des total zerstörten Aleppo, die Großaufnahme eines Jungen mit unendlich traurigen Augen (es ist wohl Sam, der durch einen militärischen Angriff seine Eltern verloren hat und ohne Familiengeschichte in einem Waisenhaus aufwuchs), eine Straßenszene mit Jugendlichen ohne Gesicht. Wie lässt sich nach einer Katastrophe weiterleben, ohne sich ihr zu stellen? Was ist historische Wahrheit? Diese Fragen sind ubiquitär: Sie haben sich in Deutschland nach Krieg und Völkermord ebenso gestellt. Und in Polen versucht die Regierung jetzt massiv, das ihren nationalistischen Bestrebungen gemäße Geschichtsbild in den Schulen zu verbreiten, nachdem Polen lange Spielball machtpolitischer Interessen gewesen ist.
„Damaskus 2045“ regt stark zum Nachdenken an. Es beweist – selten genug in dieser Zeit – die Relevanz von Theater. Schlüssiger wäre es allerdings gewesen, das Stück mit syrischen Schauspielerinnen und Schauspielern zu besetzen. Die Aufführung hätte damit um einiges an Glaubwürdigkeit gewonnen.