Foto: Erik*a © Cordula Treml
Text:Dorte Lena Eilers, am 18. Februar 2024
Daniel Pfluger inszeniert Erik*a mit Texten von Theresa Seraphin an der Schauburg München und schlägt mit der Multimedia-Revue einen Bogen in die queere Szene. Historisches Bindeglied ist das berühmte Geschwister-Paar Erika und Klaus Mann, Kinder des Schriftstellers Thomas Mann. Diese Kritik entstand für das Sonderheft DIE QUEERE BÜHNE.
„Wenn die beste Freundin / Mit der besten Freundin.“ Oder der Freund jetzt die beste Freundin ist. Oder die Freundin nun die Freund:in. Dann sind zwischen diesen drei Optionen fast einhundert Jahre vergangen. 1928 sangen Marlene Dietrich und die französische Schauspielerin Lion Margo den „Beste Freundin“-Song in einer Berliner Revue. Das damalige Thema: eine lesbische Liebe. Heute sagt Erika in der Inszenierung, sie sei eine Option von vielen. Sie als Frau. Oder weiblich gelesene Person. Denn was wäre, wenn sie Hosenträger trüge? Einen Schnauzbart und Hosen. Dann würde Erika blitzschnell zu ihm. Zu Freddy. Oder einer anderen männlich gelesenen Person.
Erika und Klaus Mann sind das historische Bindeglied in Daniel Pflugers Inszenierung „Erik*a“ an der Münchner Schauburg. Das berühmte Geschwister-Paar, Kinder des Schriftstellers Thomas Mann, verkörperten in den 1920er Jahren das Sinnbild eines queeren Lebens. Auf der Bühne wie im Privaten spielten sie mit Geschlechter-Fluidität und Zuschreibungen, thematisierten Homosexualität in ihren Stücken, wechselten Rollen und Partner:innen wie ihre Outfits. Die Weimarer Republik bot mit ihren Revuen und Kabaretts die Freiräume dafür – bis die Zeit des Nationalsozialismus alles zerstörte.
Auch heute sind es wieder die Clubs und Ballrooms, in denen sich die queere Community trifft. Flurin Borg Madsens Bühne ist eine Mischung aus Garderobe und Catwalk. Vorhänge, Diskokugel, Schminktisch, der Boden ein schwarz-weißes Schachbrett. Auf dem „achten Feld“ dieses Strategiespiels kann der Bauer sich in eine Dame verwandeln. Karen Modrei hat den beiden Spieler:innen Janosch Fries und Lucia Schierenbeck für ihre Gender-Transfers allerlei Kostüme zur Verfügung gestellt: High Heels, Samtanzüge, Paillettenkleider. Dies hier, sagen Erika und Klaus, sei „ein Ort für alle, die noch auf der Suche sind und sich nicht festlegen wollen.“
Reichweite schaffen
Doch es sind nicht nur physische Räume, in welchen die Diversität der Geschlechter gefeiert wird. King Tenu etwa berichtet in einem eingespielten Video, wie er in der Coronazeit dank TikTok auf einen amerikanischen Drag King stieß. Erst da fing er an, sein bisheriges Cosplay, also die Darstellung von Manga-Figuren, in Richtung Drag zu verfeinern. Heute tritt der Zwanzigjährige als Drag King in München auf.
Auch „Erik*a“ kann man nicht nur live vor Ort, sondern auch online besuchen. „Viele junge Menschen“, sagt Dramaturgin Anne Richter, „haben ihr Comingout tatsächlich zunächst in den Sozialen Medien.“ Zudem seien die Zugangsschwellen niedriger. Theoretisch kann man sich hier auch anonym dazuschalten. Aus dem benachbarten Rosenheim ebenso wie aus Vancouver.
Daniel Pflugers Multimedia-Revue aus Karaoke-Show, Tanzstilen der queeren Community und Live-Schalte mit dem Onlinepublikum (Video und Online-Regie Lukas März) schlägt mit ihrer Mischung aus 20er-Jahre-Songs, aktuellen Texten von Theresa Seraphin und Videoporträts von King Tenu, Lucia Lucas und The Darvish einen großen historischen Bogen. „Wir sind nun einmal anders, als die andern“ – diese Songzeile aus „Das lila Lied“, der ersten Hymne der Homosexuellen-Bewegung aus den zwanziger Jahren, gilt bis heute. Es geht um das Menschenrecht, queer zu sein. Beim diesjährigen Heidelberger Stückemarkt kürte die Jugendjury „Erik*a“ einstimmig zum Favoriten.
Hier finden Sie das komplette Sonderheft DIE QUEERE BÜHNE.