Foto: Eric Gauthiers Abschied als Tänzer © Regina Brocke
Text:Eckehard Uhlig, am 22. März 2018
Am Theaterhaus Stuttgart gibt Eric Gauthier seinen Abschied als Tänzer mit dem Solo-Abwend „The Gift“
Die Tanzwelt schaut einmal mehr auf Stuttgart. Genauer gesagt auf den Soloabend „The Gift“, mit dem sich Eric Gauthier, einst Publikumsliebling des Stuttgarter Balletts, in seinem 41sten Lebensjahr als aktiver Performer im Stuttgarter Theaterhaus (und anschließend auf einer geplanten Tournee) verabschiedet. Freilich lässt Gauthier nicht von seiner „ewigen Liebe“ – der Bühne bleibt er als Chef der international renommierten Gauthier Dance Company erhalten. Itzik Galili hat ihm zum Ereignis ein Geschenk gemacht und für seinen Freund einen wundervollen Abschied choreographiert. Erinnerungen aus einem rundum geglückten Tänzerleben werden in Galilis facettenreich bunt leuchtender Inszenierung von Gauthier mit Melancholie, humorigem Charme und vor allem mit Liebe zu unserer Erde präsentiert.
Mit wummerndem Urknall aus den Boxen des Synthesizers und Gavin Bryars „One last Bar then Joe can sing“ aus der auf einer Videoleinwand gespiegelten Tonbandmaschine setzt die Eröffnungs-Szene musikalisch ein. Wie eine Skulptur taucht Gauthier in schwarzer Theaterkluft aus dem Zauberdunkel der Katakomben in der Mitte der ersten Publikumsreihe auf, springt im Spotlight auf die Bühne, respektive ins Leben, und bietet in seiner charakteristischen, zeitgenössisch orientierten Tanzsprache feine, kunstvolle Tanz-Etüden. Rhythmisch zur Musik pulsierend biegt und verrenkt sich die Körpersilhouette, die Gliedmaßen scheinen sich zu umschmeicheln. Der Gestus des Demonstrierens mit Armen, Händen und erhobenem Zeigefinger, von energischen Blicken begleitet, herrscht vor: Seht her, so bin ich, so liebe ich die sonnigen Seiten des Tanzes. Von einer Kamera eingefangen ist der Solotänzer aus zweiter Perspektive auch auf der Videowand zu sehen – mal von der Seite, mal frontal in Großaufnahme, öfters seine Rücken-Sicht.
Dazu rollen leuchtende Erinnerungs-Gläser, das süße Eingemachte, aus den Theatergassen auf die nachtdunkle Bühnentanzfläche. Ein jedes enthält eine geheimnisvolle Geschichte, steht für einen Lebensabschnitt und besondere Begebenheiten, die Gauthier tänzerisch temperamentvoll oder in sinnlich weichen Tanzsequenzen erzählt. Die per Mikroport gesprochenen Texte werden berückend schön, öfters artistisch akzentuiert, in Bewegungs-Reflexionen umgesetzt. Mit köstlicher Selbstironie und komödiantischem Talent führt Gauthier in ausgesuchten Fragmenten auch klassische Solo-Partien vor, die der (in der Premiere anwesende) Stuttgarter Ballett-Intendant Reid Anderson „seinem Charlie Chaplin“ einst freundlich verwehrte – darunter ein verliebter Prinz aus „Dornröschen“, der feurige Basilio aus „Don Quijote“ und vor allem seine Traumrolle „Romeo in der Balkonszene“.
Ein Solist, der einen ganzen Abend allein bestreitet, braucht Momente ruhig-meditativer Einkehr. Die nutzt der vom Publikum gefeierte Tänzer, der auch ein kreativer Liedermacher ist, für Poesie und Gesang. Zu seiner bordeauxroten Gitarre intoniert er stimmungsvoll die Eigenkomposition „Just Cause“ und das elegische „Ne me quitte pas“ (nach Jacques Brel). Animiert vom Starkoch Jamie Oliver verführt Gauthier die Zuschauer zur bewegten Mitmach-Aktion: Handgriffe und Vorfreuden beim Kochen seines Lieblingsgerichts Spaghetti Carbonara werden genüsslich mit Bewegungs-Witz nacherlebt. Der Abend endet in klang- und tanzschöner Erinnerungs-Melancholie. Zu Claude Debussys „Claire de lune“ bietet Gauthier eine neoklassische Studie von höchster tänzerischer Qualität, bleibt neben seinem letzten Erinnerungsglas liegen und trinkt es zu einem Beifallssturm aus dem Off, der sich bald im jubelnden Publikum fortsetzt, bis zur Neige aus.