Foto: Versunken ins Spiel: Schauspieler Arlen Konietz als Adrien © Bjørn Jansen
Text:Manfred Jahnke, am 29. August 2020
Ein Mann im Dunkel, ein Feuerzeug flackert. Im Hintergrund zwei große verpackte Objekte, die sich, wenn die Verhüllungen heruntergerissen werden, als Schlagzeugbatterien erweisen – eine klassische und eine elektronische. Am Ende stellt sich dieses Bild wieder her. Dazwischen aber liegt eine Welt, in der die aufregende Geschichte von Adrien Lepage, einem Jungen mit autistischen Zügen, erzählt wird, der das Trommeln für sich entdeckt hat: Erst entwickelt er den Takt aus dem Rhythmus der Alltagsgegenstände, deren Geräusche er übernimmt und zu ganzen Tonfolgen komponiert, und entdeckt mit dem eigenen Herzschlag die Body-Percussion, bis er dann endlich ein altes Schlagzeug geschenkt bekommt.
Arlen Konietz spielt das virtuos. Nicht nur das Schlagzeug, das er beherrscht und locker die verschiedenen Beats einer Zirkusnummer oder einer einfühlsamen Bigband-Nummer vorführt (Adrien hat sich sein Können auch mithilfe der alten Jazzplatten seiner toten Großmutter angeeignet); virtuos ist auch, wie er die Geschichte des Jungen aus der Rückblende erzählt: zugleich distanziert und sich doch auf die Gefühlswelt dieses Jungen einlassend, bis hin zum großen Blackout. Nach dem verunglückten Versuch, in einer Band zu spielen, in der alle kiffen, entdeckt er in einem Musikgeschäft ein neues Schlagwerk, in dem er alle Beats über Kopfhörer spielen kann, also niemand sich mehr an dem „Lärm“ stören kann. Während er auf dem Nachhauseweg noch darüber nachdenkt, wie er für die neue Musikmaschine 4000€ aufbringen kann, verbrennt sein Vater das alte Schlagzeug. Als er diesen Vorgang realisiert, rastet Adrien aus und schlägt mit dem Spaten zu. Am Ende hören wir dann im Dunkel die hallenden Schritte eines Gefängniswärters – und sehen das Licht des Feuerzeugs vom Anfang wieder aufflackern.
Diese Geschichte spielt kunstvoll mit den Sounds unterschiedlichster Musikstile von Louis Armstrong bis zu den „Metallics“, bezieht diese zugleich auf die Biographie eines jungen Menschen, der sich ganz und gar in eine andere Welt hineinziehen lässt. In sie hat sich der Protagonist vollständig hineingesponnen; für das Außen bleibt da nur noch ein skurriler Blick. Wie gesagt, Arlen Konietz macht das virtuos, und dass er in dieser Produktion so auftrumpfen kann, ist der Regie von Ingo Putz zu verdanken, der wie gewohnt ein Ambiente schafft, in dem sich der Spieler frei bewegen kann. Dem Regisseur gelingt es, seine Spieler genau zu beobachten, ihnen dabei aber die Freiheit zu eigener Kreativität zu lassen und daraus eine eigene Form zu entwickeln. Und wenn dann noch einer wie Martin Deufel zum Schlagzeug-Coaching dazu kommt, der ein genaues Gehör hat, dann kommt es zu einem spannenden Abend.
Eigentlich erstaunlich, dass dieses Stück – „Ein Leben in Takt“ – nicht schon vorher den Weg auf deutsche Bühnen gefunden hat. Der Autor Cédric Chapuis hat „Une vie sur mesure“ – wie der Originaltitel lautet – selbst über 1500 Mal in Frankreich und anderswo gespielt. Das Stück ist unter anderem ins Spanische und Englische übersetzt. Der ehemalige Konstanzer Chefdramaturg Daniel Grünauer hat dieses Stück entdeckt, Eugénie Verbeurgt hat es übersetzt. Und Grünauer hat dafür gekämpft, dass dieses Stück in einer freien Produktion beim Kulturzentrum K9 herauskommen kann. Man kann nur hoffen, dass bald auch andere Bühnen diesen Monolog mit Schlagzeug für sich entdecken.