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Entfesselt

Paul Graham Brown: Der große Houdini

Theater:Theater Hof, Premiere:24.10.2014 (UA)Regie:James Edward LyonsMusikalische Leitung:Kenneth Dureyea

Geboren 1874 als Erik Weisz in Ungarn, nach der Emigration der jüdischen Eltern in die USA Ehrich Weiss, berühmt geworden aber als Harry Houdini: Der legendäre Entfesselungskünstler auf der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert ist zurzeit richtig à la Mode. Hans Klok hat eben für seine Show „The New Houdini“ eine spektakuläre Werbung mit dessen berühmtester Nummer inszeniert, indem er sich kopfüber von einem Kran hängend aus einer Zwangsjacke befreite; vor kurzem strahlte der amerikanische „History Channel“ eine entsprechende Mini-Serie über den einstigen Weltstar aus.

Vor zwei Jahren hat Intendant Reinhard Friese zu seinem Amtsantritt das Musical in Hof auf Erfolgskurs gebracht, unter anderem bereits Paul Graham Browns „King Kong“ gezeigt und nun den Komponisten und Textdichter auf das Thema Houdini angesetzt. Es ist wirklich der perfekte Musical-Stoff: einerseits die spektakuläre Geschichte eines schier magischen Entfesselungskünstlers, der sich im Gefängnis nackt fesseln ließ und ebenso angezogen wie befreit herausspazierte; der an Händen und Beinen gebunden von Brücken ins Wasser stürzte oder gefesselt in einem Käfig ins Wasser sich versenken ließ. Der andererseits aber auch zeitlebens unter einem Vater litt, der ihn ablehnte und die vom Sohn abgöttisch geliebte Mutter verließ; der seine Frau vernachlässigte und immer mehr zum Eigenbrödler wurde; der vom Tod fasziniert war und entsprechende Devotionalien sammelte, und der schließlich nicht bei einer seiner spektakulär lebensgefährlichen Aktionen starb, sondern weil er einem jungen Studenten in der Garderobe erlaubte, seine vermeintlich immer noch stählernen Bauchmuskeln zu testen und davon einen letalen Blinddarm-Riss erlitt.

Das alles wird in Hof in einer betont lockeren, Vor- und Rückblenden einschließenden gelungenen und kurzweiligen (Musik-)Dramaturgie aufgerollt, die immer wieder bis in die Kindheit zurückgeht. Ein bewusst grob zusammengezimmertes (halbes) Zirkuszelt (Bühne und Kostüme: Annette Mahlendorf) dient als Drehbühnen-Schauplatz mit offenen Verwandlungen. Die Kostüme sind historisch genau, ein bisschen Ballett gibt es auch. Aber erst nach der Pause bekommen Handlung wie Musik Tiefgang, werden die Schattenseiten des einzigartigen, auch medien- und breitenwirksamen Phänomens Houdini, das sogar – wenngleich mit wenig Erfolg – in Stummfilmen mitwirkte, facettenreich beleuchtet. Dennoch krankt das ganze Projekt ein wenig an einer fehlenden Vision und allzu glattem, sauberem Handwerk. Dass man den überzeugenden Chris Murray in der Titelrolle mit abstehender Haarwolle fast wie eine Karikatur aussehen ließ, sich kaum an den zahlreichen, aussagekräftigen historischen Quellen orientierte und auch die Entfesselungs-Tricks nicht immer mit theatralischer Überzeugungskraft zu vermitteln wusste (obwohl Murray sogar kopfüber hängend singen musste), heißt bei diesem Thema Entscheidendes zu verschenken.

Die durchweg überzeugenden Sängerdarsteller, darunter Cornelia Löhr als Bess Houdini, Christian Venzke als Harrys Bruder Dash oder die Ensemble-Mitglieder Stefanie Rhaue als in jeder Hinsicht attraktive Madame Charmian, Medium und Wahrsagerin, die Houdini verführen will, oder Karsten Jesgarz als Vater Samuel Weiss hatten in James Edward Lyons einen etwas bieder erzählenden Regisseur, der mit der Dialog-Regie mehr Glück hatte als bei der Inszenierung der Gesangsnummern. Kenneth Dureyea war dagegen ein kompetenter musikalischer Leiter, der die Hofer Symphoniker mit ebenso leichter wie sicherer Hand führte.