Foto: "Carbon Copy Building" im Freiburger Kunstverein © Heike Mondschein
Text:Georg Rudiger, am 14. November 2015
Zwei Gebäude als Hauptfiguren einer Oper, ein Comic als Libretto, ein Komponistenkollektiv als Urheber, eine vierköpfige Rockband als Orchester – „The Carbon Copy Building“ (1999) von den US-Amerikanern Michael Gordon, David Lang und Julia Wolfe („Bang on a Can“) nach dem Libretto von Ben Katchor ist so ungewöhnlich wie kompliziert. Es gibt keine eigentliche Handlung. In dokumentarischem Ton wird über die fiktive Geschichte der beiden gleichen Gebäude berichtet, die im Jahr 1929 in zwei unterschiedlichen New Yorker Stadtteilen erbaut wurden. Das eine, in einem heruntergekommenen Viertel stehende Palaver Building ist eine mit Kohlepapier entstandene Kopie des Originals Palatine, das in der schicken Park Manure Avenue zu finden ist. Laut Comicvorlage besitzen auch die Figuren des einen Gebäudes seltsame Doppelgänger, also schlechte Kopien des anderen. Im länglichen Ausstellungsraum des Freiburger Kunstvereins wird diese Spiegelung von Regisseur Joachim Rathke nicht berücksichtigt (Premiere der Produktion: 2.10.15 im Westwerk Leipzig). Nur vier weiße Bürotische sind hintereinander aufstellt. Die Band der Holst-Sinfonietta (Leitung: Klaus Simon) ist in der Ecke platziert. Auf die Comicprojektionen haben die Musiktheatermacher der Opera Factory Freiburg (früher Young Opera Company) bewusst verzichtet. Nur in den grellen Kostümen und den skurrilen Frisuren der vier Solisten spiegelt sich noch das Comichafte der Vorlage (Ausstattung: Heike Mondschein). Jonas Holst singt, von der E-Gitarre (dauerpräsent und souverän: Jan Klementz) begleitet, die ersten Gesangslinien an diesem rätselhaften, gut eineinhalbstündigen Abend, bevor Erwin Belakowitsch die Initiative an sich reißt und auf dem Tisch ein großes Solo hinlegt. Mal imitieren die vier vorzüglichen Solisten instrumentale, aus der Minimal Music stammende Repetitionsstrukturen, mal ziehen sie lange Melodiebögen über der stets pulsierenden Begleitmusik. Durch ihre große darstellerische Präsenz und stimmliche Souveränität (nur Neals Banerjees Tenor erscheint mitunter etwas brüchig) macht das Quartett (stark: Kimberley Boettger-Soller) viel wett, aber es gelingt ihm dann doch nicht, dem nur phasenweise spannenden Abend eine Richtung oder gar eine Aussage zu verleihen.
Die Geschichte ist an sich schon abstrakt und kompliziert genug. Regisseur Joachim Rathke macht sie aber noch komplizierter, indem er dem Geschehen noch weitere Bedeutungsebenen hinzufügt. Die Figuren werden nicht mehr konkret verortet, sondern erscheinen laut Programmheft als Wissenschaftler, die sich mit dem Phänomen der Kopie auseinandersetzen. Auch die Quantenphysik wird zur Erklärung bemüht. Theatralisch erschließt sich die Inszenierungsidee nicht. Es bleibt vieles unklar zwischen Papierschnipseln und 5-Minuten-Terrine, zwischen Messbändern und Schnittmustern, zwischen Tanzen und Verharren. Ständig wird irgendwo gewischt. Froschquaken soll, verbunden mit einem Kontrapunktus aus Bachs „Kunst der Fuge“, den Übergang zwischen den Welten zeigen, wobei hier in Sachen rhythmische Präzision noch Luft nach oben ist.
Für Momente kann man sich durchaus lustvoll treiben lassen von dem großartigen Spiel und süffigen Gesang der Solisten. Auf Dauer wirkt der Abend aber eher wie ein Improvisationsworkshop mit freier Themenwahl. Auch die Musik hat ihre Längen. Die einzelnen Songs enden abrupt und werden von Pausen getrennt. Ein richtiger Flow stellt sich nur selten ein. Daniel Stalder zaubert am Vibraphon und groovt am Drumset, Marie-Luise Klein (Keyboards) und Mariella Bachmann (Klarinetten, Saxofone) ziehen Endlosschleifen. Was der Abend aber eigentlich erzählen möchte, bleibt ein Rätsel.