Foto: Nina Hoss und Kollegen in der Ausgrabung "Die kleinen Füchse" an der Schaubühne © Arno Declair
Text:Barbara Behrendt, am 20. Januar 2014
Die Wiederentdeckung von Lillian Hellmans Broadway-Erfolg „The Little Foxes“, zugleich der erste Auftritt von Nina Hoss, die vom Deutschen Theater herüber gewechselt ist – unter solchem Beobachtungsdruck stand lange kein Abend mehr an der Schaubühne. Deren Chef Thomas Ostermeier hat in Hellmans Stück sein Thema gefunden, das er bisher in seinen weltweit gefeierten Ibsen-Inszenierungen ausgelotet hat: ökonomische Besessenheit und die Erschütterungen, die Gier und Machthunger in persönlichen Beziehungen auslösen. Aus Hellmans Drama macht Ostermeier einen großen Schauspielerabend.
„Die Kleinen Füchse“, 1939 uraufgeführt, ist neben einem Wirtschafts- und Familiendrama die Emanzipationsgeschichte der Regina Giddens, die sich gegen die intriganten Geschäfte ihrer Brüder durchsetzt und alle umso brutaler aufs Kreuz legt. Hoss balanciert als Regina zwischen konventioneller Liebenswürdigkeit, egoistischer Kälte und unbeherrschten Wutausbrüchen. Mit ihrer Figur sucht Ostermeier den Anschluss an die Emanzipationsgeschichten seiner Ibsen-Protagonistinnen Hedda Gabler und Nora. Doch während Nora sich bei Ostermeier den Weg in die Unabhängigkeit frei schießt und Hedda sich selbst die Kugel gibt, wird Regina nach Stückende ihr neues Upperclass-Leben in New York beginnen. Zuvor hat sie ihrem kranken Mann Horace die Medizin verweigert und mit seinem Tod die Änderung seines Testaments und ihren finanziellen Ruin verhindert.
Ostermeier und sein Dramaturg Florian Borchmeyer haben das Stück angenehm entschlackt und aus den amerikanischen Südstaaten um 1900 in die deutsche Gegenwart verlegt. Verhandelt wird in der kühlen Eleganz der tiefschwarzen Bühne – weniger konkret realistisch als bei früheren Arbeiten des Bühnenbildners Jan Pappelbaum. Langsam drehen sich die Ledersessel und der Flügel, an dem die angeheiratete Aristokratentochter Birdie ihre Sehnsucht nach Poesie auslebt. Darüber die endlose Treppe, auf der Horace zusammenbrechen wird. Hinten der Salon, in bourgeoisen Charme.
Mark Waschke gibt den Bruder Ben als sportliches Alphatier, David Ruland spielt den subalternen Bruder Oscar, sein Sohn Leo ist bei Moritz Gottwald ein aufgeblasener Wicht, der hysterisch durchknallt, als das große Geschäft ihn in den Knast zu bringen droht. Sie alle spielen großartig, doch Ursina Lardi entwickelt sich als Oscars trunksüchtige Frau Birdie zur zweiten Hauptrolle. Wie sie aufgekratzt im Negligé umherstakst, die Schläge ihres Mannes vertuscht und ihr verpfuschtes Leben beklagt, das ist so schmerzerfüllt wie grotesk komisch.
Horace, bei Thomas Bading ein gebrochener Mann, wird im Angesicht des Sterbens einsichtig. Seine Tochter will er deshalb – im Original – aus dem kapitalistischen Sumpf retten. Letztlich lehnt sie sich tatsächlich gegen Regina auf. Anders bei Ostermeier: Er verabschiedet sich von jeder Hoffnung in eine Generation, die sich von der Geld- und Karrierewelt befreien könnte. Statt der Mutter den Krieg zu erklären, wendet sich Alexandra ab. Ende offen. Regina hat die schärferen Zähne gezeigt – die Moral ist auf der Strecke geblieben. Einsam steht sie zuletzt auf der Bühne und schaut angstvoll die Treppe hinauf, wo ihre Tochter sie verlassen hat.
Wie sich kapitalistisches Denken auf Zwischenmenschliches auswirkt, lässt sich mit Ibsens Stücken allerdings besser erforschen. Hellmans Figuren wirken durchökonomisiert, kaum von psychologischen Motiven geleitet. Sie bleiben flach, sodass Ostermeier mit ihnen nicht so weit kommen kann wie mit Ibsens ambivalenter Figurenzeichnung. Dennoch: Ein schöner Schauspielererfolg ist ihm allemal gelungen.