Eine Suche nach der verlorenen Ortsbelebung und erst in zweiter Linie nach der verlorenen Zeit: Eine tätowierte Hand legt ein konturiertes Foto mit dem Tempel aus Joe Mays achtteiliger Groß-Stummfilm „Die Herrin der Welt“ (1919/20) auf ein Foto der Seen bei Woltersdorf in Brandenburg. Auf dem Foto ist es Sommer. Doch während der Ortsbegehungen von Philine Rinnerts und Johannes Müllers Performern auf dem Kranichsberg ist es Spätherbst - in einem Stadium, den man mit Vorfrühling verwechseln könnte. Nichts erinnert mehr an die dort aufgebauten und nur einen Tag haltbaren Treppen für 1000 Statisten und den einmaligen Aufstieg von gleichzeitig 1000 Tauben vor Spezialkameras der Stummfilmzeit. Kleine Flächen von Saftgrün, erdige Schlieren, Geröll - das war's.
Philine Rinnerts und Johannes Müllers im Verlauf sich immer mehr mit überlagernden Zeichen und Symbolen akkumulierender Film operiert, die Landschaft als Behältnis verlorener Zeitspuren mitgerechnet, auf drei Ebenen. Zum einen in Verdopplungen von Szenen aus Jan Mays Stummfilm durch 'reale' Performer: Den Forscher mit Zwirbelbart in Orange, die schlecht singende Wiedergängerin neben der zur Leinwand-Göttin der archaischen Gesellschaft erhobenen Blonden und der mit blauer Körperfarbe als Wilder kenntliche Performer. Durch den Moderationstalk wird das technisch-kunstvolle Trugmanöver demaskiert: Dieses Blau erscheint auf Zelluloid weiß und nur in Digitalformaten 'echt'. Die Moderation liefert für fast alles eine Erklärung - Geschichte, Zahlen und Simultan-Übersetzung in Gebärdensprache. Aber sogar die Gebärdensprache ist ein Bestandteil des Pakets aus gestisch-literarisch-motorischen Faktoren. Die in den Stummfilm eingesetzten Textfenster finden sich auch in den gespielten Szenen der Gegenwart, werden so vom notwendigen Informationsmittel des Stummfilms zum Kunstmittel des Tonfilms. So wird auch Sprache die Ergänzung zum Gestenvokabular.