Foto: Lola Merz Robinson und Karolien Wauters in "Leichte Turbulenzen" am JES Stuttgart © Andreas Etter
Text:Manfred Jahnke, am 22. Januar 2023
Wenn Kleinkinder sich schon im Rhythmus der Klänge wiegen, bevor die Tänzerinnen auf der Bühne sich in die entsprechende Bewegung hineinbegeben, dann scheint das Stück bei seinem jungen Publikum einen richtigen Nerv getroffen zu haben. In „Leichte Turbulenzen“, von Felix Berner am Jungen Ensemble Stuttgart choreografiert, geben Metronome – erst drei, am Ende sind es fünf in unterschiedlichen Farben – den Takt vor. Zunächst werden sie eingesetzt als Störung des Spiels, dann finden die Tänzerinnen immer mehr einen gemeinsamen Rhythmus.
Lola Merz Robinson und Karolien Wauters sprühen vor Spiellaune, probieren immer neue Ideen aus im farbenfrohen Bühnenbild von Christin Vahl. Als Farbe dominiert Türkis in allen Schattierungen bis hin ins Blaue und Grüne, nicht nur auf den Podesten, die den Raum von zwei Seiten eingrenzen, sondern auch eine kleine Rampe, die zunächst mitten im Raum steht. Einzelne kleine Podeste, die getragen werden und zum Wippen gebracht werden können, zeigen sich in grellen Farben wie Rot, Orange oder ein knalliges Gelb. Es sind auch Farben, die sich in den Kostümen (ebenfalls: Christin Vahl) widerspiegeln.
Jede der beiden Tänzerinnen möchte ihr Spiel machen, aber die andere will nicht einsteigen – und tut es dann doch. Robinson und Wauters führen auf einer hohen abstrakten Ebene vor, wie Kleinkinder spielen: erst einmal für sich, das Spiel der Anderen (zer-)störend, um am Ende doch zu einem gemeinsamen Spiel zu finden. In „Leichte Turbulenzen“ geht es um das Spiel selbst, vom selbstverliebten sich darin Versenken, aber mehr noch um das Zusammenkommen im Spiel, dem gegenseitigen Helfen, wenn man da eine Polestange emporhangeln will, auch um das Stören im Spiel.
Zwei, die sich mögen
Berner findet mit seinen Tänzerinnen, die eine hohe Sympathie ausstrahlen, viele Wege, um das Thema auszuloten. Die Bewegungsabläufe sind rhythmisch organisiert, nicht nur aus dem unterschiedlichen Intervallen der Metronomen, sondern auch mit Hilfen der live gespielten Ukulele und Akkordeon und wenigen Musikeinspielungen. Wie im Titel versprochen, es geht auf der Bühne turbulent zu – im besten Sinne. Wenn Lola und Karo sich auch kabbeln, bleibt doch immer deutlich, dass da zwei agieren, die sich mögen.
Wie im Theater für die Allerkleinsten mittlerweile Standard, wird das Publikum zu Beginn im Foyer von den Tänzerinnen begrüßt. Am Ende dürfen die Kinder (aber auch die Erwachsenen) über die kleinen grellfarbenen Podeste den Spielraum verlassen. In diesem Tanztheater für Kinder ab 2 Jahren wird auch gesprochen, auch Flämisch – Karolien Wauters kommt aus diesem Sprachgebiet. Sprache tut jedoch in dieser Inszenierung nichts zur Sache: Das Spiel der Körper, der Sinn für Humor, das Spiel von Sympathie und (fast nicht vorhandener) Antipathie ist so deutlich gesetzt, dass es die sprachliche Ebene nicht braucht. Berner arbeitet dabei mit performativen Mitteln: die Tänzerinnen spielen sich mit ihren wirklichen Vornamen an, sie zeigen auch die Kompetenz, mit dem jungen Publikum umzugehen, wenn es vom Rhythmus animiert, selbst auf die Bühne drängt.
Für Grete Pagan, die mit Beginn dieser Spielzeit die Intendanz des Jungen Ensemble Stuttgart übernommen hat, spielt in ihrer Konzeption das Tanztheater für junge Menschen eine wichtige Rolle. „Leichte Turbulenzen“ ist ein geglücktes Beispiel.