Foto: Bei Borkmans in Frankfurt: Wolfgang Michael, Corinna Kirchhoff, Claude De Demo, Christian Erdt und Josefin Platt. © Bernd Uhlig
Text:Detlev Baur, am 15. April 2013
„John Gabriel Borkman“, Ibsens Drama um den einsamen, wegen Veruntreuung verurteilten Ex-Banker am Schauspiel Frankfurt: Im Schatten der Bankentürme von Deutscher Bank und Europäischer Zentralbank eine naheliegende Stückwahl, zumal in Zeiten von Dauerfinanzkrisen und Ermittlungen gegen Spitzen der Bankengesellschaft. Allerdings ist Andrea Breth, die erstmals in Frankfurt inszenierte, nicht die Regisseurin für oberflächliche Aktualisierungen auf der Bühne. Und tatsächlich spielen sowohl Corinna Kirchhoff als heißblütige Schlangenmutter Gunhild als auch Josefin Platt als deren todkranke Schwester Ella und Wolfgang Michael als bärig-brummiger, in sich gekehrter, ausrangierter Erfolgsmensch John Gabriel Borkman ganz intensiv eine kaputte Familie fern aller Welt. Die drei Alten kreisen letztlich nur um Sohn Erhart, der auch ehemaliges Pflegekind Ellas ist. Christian Erdt gibt ihn wundervoll als verwöhnt-naiven und überforderten jungen Mann, der sich in die Arme der weltoffenen, erfahrenen Fanny Wilton wirft – Claude De Demo spielt auch eine, wenn auch viel attraktivere, Schlangenfrau.
Annette Murschetz hat für diese verlorene Familie einen kalten, hohen, grauen Raum gebaut, der mit seinen klassizistischen Halbsäulen fast einem Tempelraum gleicht. Die hohen Türen sind stets durch Fensterläden verschlossen. Entsprechend bewegen sich die Gestalten seit dem Schicksalsschlag von Borkmans Verurteilung (vielleicht aber auch schon vorher?) im Kokon ihrer Verschlossenheiten und Einbildungen. Besonders Corinna Kirchhoff und Wolfgang Michael geben ihren egozentrischen Figuren etwas Animalisches. In der letzten, stummen Szene entlässt die Regie die drei Alten aus dem Haus in eine Felslandschaft, deren Oberfläche aber auch an menschliche Plastiken erinnert, wo sie – jeder für sich – wie auf den Rücken gefallene Insekten nach Halt suchen: kein erlösender Tod Borkmans, keine Versöhnung der Schwestern wie bei Ibsen, nur stummes, selbstbezogenes Vegetieren. Die beschränkten Eltern folgten dem jungen Borkman, der mit Fanny in den Süden geflohen war, aus dem häuslichen Gefängnis ohne jede Chance auf einen Neubeginn.
Diese konsequente Regie kommt ohne jede Historisierung oder Aktualisierung aus und streicht aus der Textvorlage pathetische Partien; sie erzeugt damit ein kompromissloses Endspiel. Dabei wird dieser „John Gabriel Borkman“ bei aller Bitterkeit und zwischenmenschlichen Kälte oft eine unglaublich komische Veranstaltung von eingebildeten und dabei bemitleidenswerten Wichtigtuern, die nur um sich selbst kreisen, und anderen wie sich selbst gegenüber untreu werden. Das Geld ist dabei nicht das eigentliche Problem.