Eine ausgefallene Mixtur ist auch die Instrumentierung der Musiktruppe Freiraum Syndikat mit Violoncello, E-Gitarre und zwei Blockflöten (zwischendurch auch mal Waschbretter und Tischglocken), für die Moritz Eggert seine Songs, Tanz- und Instrumentalnummern geschrieben hat. Und schließlich wird auf der Bühne in völliger Selbstverständlichkeit und rasendem Szenenwechsel zwischen Italienisch, Deutsch und Englisch geswitcht: die Huren-Ensembles sind meist Englisch, die Peachums streiten und fluchen Italienisch (wohl, weil Regisseurin Michela Lucenti selbst Mrs. Peachum gibt) und Mrs. Trappola führt auf Deutsch und in bester Brecht-Tradition moralbelehrend durchs Geschehen. Da ist also auf Initiative der Neuköllner Oper Berlin eine Produktion entstanden, die Maßstäbe setzt in Sachen internationaler und genresprengender Theaterarbeit. Und dann auch noch derart unterhaltsam, überbordend und charmant!
Zwar ist die Komposition von Eggert strukturell recht nah an Brecht/Weills berühmter „Dreigroschenoper“, rasant folgen zahlreiche Songs und Szenen aufeinander, es gibt ein Vorspiel (keine Moritat, aber ein „Was ihr wissen müsst“-Monolog von Mrs. Trappola) und drei Akte. Musikalisch aber zitiert der Neue-Musik-Star eher wenige der Ohrwürmer Weills, nimmt stattdessen parodistisch Bezug auf berühmte Songtexte der Popmusik: „Diamonds Are a Girl’s Best Friend“ befinden die Huren, singen „Bring tea for the Tillerman“, und Polly gesteht Macheath: „I Wanna Be Loved by You“. Elemente aus dem „Anstatt-Dass“-Song oder aus Pollys und Lucys „Eifersuchtsduett“ klingen zwar deutlich an, werden aber verfremdet in andere Songtexte eingebettet.
Für die kleine Bühne hat Sabrina Rosetto eine Reihe von weißen Plexiglasboxen gebaut, in denen das Ehepaar Peachum streitet, Tochter Polly (Emanuela Serra) quält oder die leichtbekleideten Huren ihr Intimleben vertanzen, einsehbar nur gelegentlich bei herabfahrender Glaswand. Eine dieser fahrbaren Boxen wird später zur Gefängniszelle für Macheath, den Christopher Crsto Ciraulo großartig mit herrlich schmieriger Unschuldsmiene verkörpert.
Überhaupt ist sensationell, mit welch großem Spaß diese so unterschiedlichen Künstler zu Londons Kleinkriminellen verschmelzen, in Modern-Dance-Ensembles, in gerappten, gesprochenen oder gesungenen Passagen. Ein zurecht gefeierter Abend, und ein Stück, das sich als gut nachspielbar erweisen dürfte.