Foto: Szene aus "Kein Plan" © JES
Text:Manfred Jahnke, am 30. Juni 2014
Schon zum dritten Mal arbeiten Brigitte Dethier (Regie) und der Choreograf Yves Thuwis-De-Leeuw in einem partizipativen Projekt, das Jugendliche und professionelle Künstler zusammen auf der Bühne agieren lässt. Nach „9 Leben“, in dem männliche junge Menschen sich an Mutterbildern reiben, arbeitet das Team ein weiteres Mal mit diesem Klientel, weil „Jungs heute größere Schwierigkeiten haben“, wie Brigitte Dethier formuliert.
Aber in „Kein Plan“, wie die neue Produktion heißt, wird sich nicht mit Vaterbildern, wie man erwarten könnte, auseinandergesetzt, sondern mit der Perspektivlosigkeit nach Ende der Schule. Biografische Bilder, existentielle Grundfragen bestimmen die Grundstruktur der einzelnen Bilder, die auf den Proben entstanden. Nach einem Grundtraining stellte das Team auf den Proben den jungen Tänzern immer wieder Fragen wie „Hast Du einen persönlichen Lebensplan?“ oder „Wie zielgerichtet gehen wir durch das Leben, wie viele Umwege müssen sein?“ (Programmflyer).
Eine solche Arbeitsweise, die über den biografischen Zugang typische (und damit für den einzelnen mitwirkenden Jugendlichen auch fiktive) Verhaltensweisen einer Generation aufzuzeigen versucht, bringt es mit sich, dass nicht die Bewegung, der Tanz zum Motor des Abend wird, sondern der Tanz der Struktur der Lebensentwürfe, der individuellen und der typischen, zu folgen hat. Was bedeutet, dass hier der (gesprochene) Text Leitfunktion hat (Dramaturgie: Christian Schönfelder) und nicht der Tanz. Auf der ebenen Spielfläche wird zumeist in kraftvollen Formationen getanzt, wobei das Spiel der Hände von entscheidender körpersprachlicher Bedeutung ist.
Individualisierungen finden zumeist nicht auf der ebenen Spielfläche selbst statt, außer, wenn aggressive Emotionen zum Ausdruck kommen oder bis zur totalen Erschöpfung gelaufen wird. Ein großes mehrstufiges Gerüst, das bespielt und akrobatisch benutzt und über der obersten Ebene von einem aus dem Bühnenboden hängenden Mikrofon beherrscht wird, ist der eigentliche Spielort, das Forum für die vier Jugendlichen und dem professionellen Theatermacher David Pagan, eigentlich Musiker, aber auch als wunderbarer Schauspieler der internationalen Gruppe NIE bekannt.
In seinen Nummern lässt Ives Thuwis-De-Leeuw zu harten Beats, aber auch gefühlvollen Songs die Jungen sich auspowern, alles geschieht mit Kraft – und Erschöpfung, aber mehr noch, man spürt die Begeisterung der vier Jugendlichen. Besonders Eric Laicher als der Kleinste sticht hervor, nicht nur als einer, der sein Leben genau bis 2068 (dem Jahr der Pensionierung) plant, sondern vor allen Dingen mit seinem mitreißenden Einsatz. Frederic Lilje muss hier den aggressiven Part übernehmen, während Yannick Blomdahl und Oscar Gemelin, der auch mal seine Muskeln spielen lässt, dazwischen stehen. David Pagan macht erst gar nicht den Versuch, eine Vaterrolle einzunehmen, sondern ist Teil der Gruppe, wenn auch nicht mehr jugendlich, so doch auch noch nicht der anderen Generation angehörig. Es ist beeindruckend, wie das Team und die Jugendlichen, die schon in „9 Leben“ dabei waren, zueinander gefunden haben, zu einem gemeinsamen Team geworden sind.