Im kommenden Salzburger Festspielsommer wird die junge polnische Regisseurin Ewelina Marciniak ein großes Projekt rund um die mythische Figur der Iphigenie inszenieren. In Polen ist Marciniak längst etabliert, reüssierte vor allem mit viel Zeitgenössischem, unter anderem Jelinek. 2018 gab sie in Deutschland ihr Debüt mit Shakespeares "Sommernachtstraum", 2020 erhielt sie den FAUST-Theaterpreis für ihre Sicht auf Szeczepan Twardochs Roman „Der Boxer” am Hamburger Thalia Theater. Die Aufführung wurde auch zum Streaming-Highlight während des ersten großen Lockdowns in Deutschland, detailgenau und soghaft war das. In Bern hat sich Marciniak jetzt eines Mammutwerks angenommen, Wagners „Ring des Nibelungen”. Florian Scholz, mehrere Jahre überaus erfolgreicher Intendant in Klagenfurt und seit heuer in der schweizerischen Hauptstadt tätig, geht ein gewisses Risiko ein, eine bisher nur Sprechtheater inszenierende Künstlerin für die Tetralogie zu verpflichten. Marciniak gilt als ebenso kühne wie kühle Stückbefragerin, mit klaren ästhetischen Vorstellungen und einer großen Portion Verspieltheit. Genau dies erlebt man auch beim „Rheingold”, wenn die überblondierten Rheintöchter mal reine Sängerinnen, mal Tänzerinnen, mal irrlichternde Wesen aus anderen Sphären sind – bisweilen auch in größerer Besetzung als das gewohnte Dreierpack.
Alberich und das blonde Gold
Marciniak zeigt zunächst ungemein klar und berührend einen Kriegsheimkehrer namens Alberich, der statt ungelenk herum zu taumeln, zur platschenden Musik zuckt und grimassiert. Ein Traumatisierter, der vermutlich viel auf dem Gewissen hat, eine blonde Frau bleibt regungslos vor ihm liegen, mit bis zum Slip hochgezogenem Rock. In diese Szenerie schiebt sich allmählich Märchenhaftes, Mythologisches hinein. Und es gibt auch das berühmte Gold, allerdings ist es reines Dekor, was spätestens dann klar wird, als Bühnenarbeiter mit großen Karren anrücken auf denen „Dekor” steht (sie entfernen auch das blonde Opfer). Schnitt. Eine rot-perückte Tänzerin, Animateuse, Spiel(ver)führerin erweckt Obergott Wotan und seine Gattin Fricka zum Leben. Die Dame wird öfters auftauchen und herum huschen, ebenso wie ein wirklich sensationelles Tänzertrio, das mal als junge wilde Kollegen der als Gangsta-Rapper auftretenden Riesen Fafner und Fasolt erscheint, oder auch als wütende kannibalistische Figuren, oder wiederum als ziemlich wilde Jungs in Frauenkleidern.