Foto: Aki Hashimoto als Prinzessin Markweiß im "Prinz von Jemen" am Staatstheater Darmstadt. © Barbara Aumüller
Text:Ingo Dorfmüller, am 27. April 2011
Die Prinzessin aus Istanbul und der Prinz von Jemen, die erst nach einigen Missverständnissen zueinander finden: Das ist klassischer orientalischer Märchenstoff, mit dem sich auch Einiges erzählen lässt über das Verhältnis von Männern und Frauen, Narzissmus, Autonomie und emotionale Abhängigkeit, und auch über das Verhältnis von Kulturen. Und zwar jenseits vordergründiger Orientalismen, die in Alexander Grubers Libretto kaum eine Rolle spielen. Der Text ist trotz der vorgeblichen Naivität von Vers und Reim weitgehend kitschfrei, Stimmungen und Empfindungen bleiben ambivalent.
Das eigentliche Ereignis dieser Oper „für Jung und Alt“ ist aber die Musik, entstanden in einer Kompositionsklasse der Darmstädter „Akademie für Tonkunst“ unter der Leitung von Cord Meijering. So entstand eine abendfüllende Oper traditionellen Zuschnitts, mit Chor und Orchester, Arien und Ensembleszenen. Sie ist ein Gemeinschaftswerk von acht Kindern und Jugendlichen zwischen 8 und 18, die eben nicht nur ihren eigenen Vorlieben folgten, sondern ganz bewusst ein stilistisch kohärentes Ganzes gestalteten. So entstand eine Musik, die auf der Basis einer freien Tonalität und einer ansatzweise neoklassizistischen Grundstruktur unterschiedliche Elemente von schlicht liedhafter Melodik bis zu minimalistischen Patterns integriert. Das ist von erstaunlicher Metierbeherrschung, wirkungsvoll und auch anrührend.
Am interessantesten der Beginn des zweiten Teils, von stark gestisch-deklamatorischem Charakter, der das musikalische Amalgam des ersten Teils zur polystilistischen Collage auffächert. Auf der Bühne (Ausstattung: Conrad Moritz Reinhardt) entspricht dem ein völliger Wechsel der Optik: Statt der flachen Kulisse eines neuzeitlichen Wohnzimmers gibt nun ein drehbares Treppengerüst dem Auf und Ab der Beziehung, den wechselnden Konstellationen und Perspektiven einen sinnfälligen, aber gänzlich abstrakten Rahmen.
Regisseur Christian von Götz findet in seiner fein und detailgenau gearbeiteten Inszenierung noch ein anderes Mittel, die unterschiedliche Herkunft von Prinz und Prinzessin zu charakterisieren. Die „Sprache“ der Prinzessin ist der Gesang, die des Prinzen der Tanz, und sie müssen eine gemeinsame Ebene der Kommunikation erst finden. Im ersten Akt führt das zu einem durchchoreografierten Pas de deux, bei dem der Prinz von einem getanzten Double vertreten wird – Aki Hashimoto als Prinzessin hingegen tanzt selbst und bringt das Kunststück fertig, dabei auch noch ihren hochliegenden, mit Koloraturen im Zerbinetta-Format gespickten Sopranpart makellos zu absolvieren. Mit ihrer quirligen Lebendigkeit ist sie Herz und Zentrum der Aufführung; doch auch Lucian Krasznec als ihr umworbener Traumprinz vermag mit höhensicherem lyrischem Tenor zu überzeugen. Dazu ein Ensemble mit bewährten Kräften wie Anja Vincken, Elisabeth Hornung und Hubert Bischof und das von Gastdirigent Ekhart Wycik bestens vorbereitete Orchester: Das Darmstädter Theater lässt der Aufführung alle nötige Sorgfalt angedeihen und erzielt mit diesem höchst ungewöhnlichen Projekt einen vollen Erfolg.