Foto: Lucas Federhen und Gerd Ritter © JES Stuttgart
Text:Manfred Jahnke, am 29. November 2015
Patrick belauscht zufällig seine Eltern, er wird ein Brüderchen bekommen, was die Eltern noch geheim halten. Sie zweifeln noch, ob sie es austragen wollen, denn es wird behindert zur Welt kommen: Trisomie. Aus den wenigen Informationen, die Patrick erlauscht, wie die, dass sein Brüderchen eventuell nur schwer Sprechen lernen wird, macht sich der Junge mit seinen Fragen auf eine Erkundungstour über Spracherwerb, Behinderungen, Mut und Verantwortung.
Eine solche kurzen Handlungsbeschreibung von „Patricks Trick“ lässt triefende Betroffenheit erwarten: weit gefehlt. Der Autor Kristo Sagor nimmt zwar seine Hauptfigur in ihren Fragen und Nöten ernst, aber Patrick ist ein gewiefter Junge, der neugierig auf diese Welt ist, der gar nicht zögert oder zweifelt, sondern für den ein Begriff wie Verantwortung eine Selbstverständlichkeit ist. Und da laviert sich Patrick durch diese Welt mit einer gehörigen Portion Humor.
Kristo Sagor hat ein Schauspielerstück geschrieben. Zwei Darsteller spielen in atemberaubenden Rollenwechseln zehn Rollen. In seiner Inszenierung am Jungen Ensemble Stuttgart setzt Sagor dem Spiel eine kurze Rollenvorstellung voran, um den jungen Zuschauern ab 9 eine Orientierung zu geben. Denn der Spielraum wird nur von einem überdimensionierten Tisch bestimmt, der während des Spiels hin- und hergeschoben, dann seitlich gekippt, schließlich ganz gekippt wird und die Beine nacheinander herausgeschraubt werden (Bühne: Christl Wein-Engel). So werden mit knappsten Mitteln die verschiedenen Handlungsorte von den Spielern selbst geschaffen. Weitere Requisiten fehlen völlig. Müssen einmal Stühle bespielt werden, so wird das pantomimisch angedeutet: So entsteht die Welt des Patrick ganz aus der Welt des Spiels.
Luca Federhen und Gerd Ritter gelingt dies mit hoher Virtuosität. Wie z.B. der bärtige Ritter mit ganz wenigen Gesten nur mit hochgezogenem rechtem Auge und stützender, leicht abspreizender Hand die Mutter andeutet, ist ein Kunststück für sich. Es ist diese körperbetonte Darstellungsweise, die diesem – in der eigentlichen Bedeutung dieses Wortes – Denk-Spiel eine große Leichtigkeit gibt. Sagor legt in seiner Inszenierung ein hohes Spieltempo vor und nützt alle Möglichkeiten des Erzähltheaters, um Figuren zu charakterisieren, wie Stimmveränderungen und Dialekte. Aber eigentlich sind bei diesen beiden Spielern solche Tricks nicht notwendig, weil sie alles über ihre Körpersprache erzählen.
Sicherlich könnte man einwenden, dass eine solche Spielweise für ein junges Publikum höchst komplex ist. Aber die Lust und die Neugierde des Patrick trägt mühelos das Publikum durch diese Geschichte. Es ist gut, dass auch dieses Publikum nicht nur mit dem Thema konfrontiert wird, sondern auch gefordert ist weiter zu denken. Und das mit dem Anspruch auf höchste Spielkunst. Und es ist gut, wenn viele Bühnen dieses mit dem Baden-Württembergischen Jugendtheaterpreis 2014 ausgezeichnete Stück spielen.