Foto: "Dr. Berg" an den Kammerspielen © Sandra Singh
Text:Anne Fritsch, am 15. Februar 2021
„Dr. Berg“. Wie der „Bergdoktor“, nur umgekehrt. Die Münchner Kammerspiele starten eine Online-Serie, ein Langzeitprojekt von Schauspieler Fabian Moraw. Der ist erklärter Fan vom „Bergdoktor“. Und so macht er sich an seine ganz persönliche Fortschreibung, Überschreibung, was auch immer. Geplant war das Ganze eigentlich als wöchentliches Live-Event im Habibi Kiosk der Münchner Kammerspiele. Coronabedingt wurde es nun ins Netz verlagert, jeden zweiten Sonntag im Monat soll es eine neue Folge geben. Diese werden in verschiedenen Konstellationen und Kollektiven entstehen, den Auftakt, „Dr. Berg und die Bruderliebe“, hat nun Nele Jahnke inszeniert.
Von der ersten Sekunde ist klar: Hier wird tief in die Kiste mit den Vorabendserien-Effekten gegriffen, im Vorspann sieht man Berge und ziehende Wolken, geschwungene Schriftzüge kündigen die Personen an und Mine singt den Titelsong zu Synthesizerklängen: „Er löst ein Problem, Dr. Berg. Er kann dir helfen, wenn du ihn lässt.“ Und: „Dr. Berg ist aus demselben Holz wie du geschnitzt.“ Nein, Angst vor Kitsch hat hier keiner, im Gegenteil, alle lassen es richtig krachen und haben Spaß an weißen Kitteln und rot glühenden Alpenpanoramen.
Los geht’s im „Salzburger Land“, wo Dr. Berg (Fabian Moraw) an einem Tisch mit rot-weiß-karierter Tischdecke mit seiner Mutter (Nele Jahnke) Kartoffeln schält. Einen Schnitt später sitzt er in seiner Münchner Praxis, bereit zur coronabedingten telefonischen Ferndiagnose. Der Anrufer (Emre Akal) klagt über Bauchschmerzen, Dr. Berg empfiehlt ein warmes Bad, am besten das „Südseeschaumbad von dm“, eine Wärmflasche und Kräutertee. Fertig. Schon sitzt er im Auto und, einen Schnitt später, mit seinem von Liebeskummer geplagten Bruder (Sebastian Brandes) unter einer Regenbogenflagge auf der Reeperbahn in Hamburg. Die passende Therapie: eine Reise nach Schweden, wo der Liebeskranke schnell geheilt ist. Happy End. Fertig.
13 Minuten dauert der virtuelle Theater-Quickie, der ganz im Sinne seines TV-Vorbilds auf einen tieferen Sinn verzichtet und frei nach dem Motto „Patient geheilt, Welt in Ordnung“ vorgeht. In der Verkürzung auf das Wesentlichste liegt eine gewisse Komik, viel mehr sollte man auch nicht darin suchen. Auf den Abspann folgt die Premierenfeier via Zoom, auch das ein Novum. Regisseurin Nele Jahnke übernimmt ein bisschen die Moderation, dann legt DJ Frangiskos los, und es wird wider Erwarten ein sehr heiteres Beisammensein. Intellektueller Smalltalk und eine Nachbesprechung des Gesehenen entfallen, stattdessen wird gleich losgetanzt. Einige haben sich Diskolichter aufgebaut, alles kann, nichts muss: Sonnenbrillen, Prosecco, Zimmerpflanzen, Kuschelaffen und -hasen, ja sogar eine T-Rex-Maske ist dabei. Das Ganze ist erfrischend improvisiert, immer wieder sucht Frangiskos nach neuen Knaller-Songs, erfüllt Musik-Wünsche, spielt „You’re my heart, you’re my soul“ von Modern Talking, „Señorita“ von Kay One, aber auch „Mein Herz“ von Betrice Egli und als Hommage an einen Partygast „Bruder Jakob“. Der Sohn von Musiker Sebastian Reier spielt was auf der Blasharmonika vor und am Ende gibt es sogar noch eine Liebes- oder eher eine sehr schöne Freundschaftserklärung an den DJ.
Was das soll, eine digitale Premierenparty, hatte man sich vorher gefragt. Nun weiß man es: eine gute, lustige und leichte Zeit zusammen verbringen in einer schweren Zeit. Das soll das. Diese Party wärmt das Herz. Und wie im lang entfernten analogen Leben dauert die Party um einiges länger als die Kunst.