Foto: "Indianer", Uraufführung von Oliver Bukowski. Thomas Werrlich in der Titelrolle © Pawel Sosnowski
Text:Ute Grundmann, am 6. November 2014
Eine Domina treibt einen Arbeitssuchenden mit der Peitsche vor sich her. Der ist ihr viel zu eigenwillig: Nicht in der Partei, nicht in der FDJ, dafür im Knast und in „Neuen Forum“ – das ist zuviel Eigensinn für einen Job im Westen. Vom ersten Öko-Kühlschrank der Welt – Made in GDR – ist, dank der Treuhand, nur noch eine Tür übrig, die die Schauspielerin auf dem Rücken trägt, als sie genau diese Geschichte erzählt. Zwei kurze Szenen am Beginn des Stückes „Indianer“, mit dem das Theater Zittau das Jubiläum des Mauerfalls vor 25 Jahren feiert. Oliver Bukowski hat das Auftragswerk geschrieben, Christian Papke die Uraufführung inszeniert.
Die schmeißt sich gleich am Anfang ziemlich ans Publikum ran: Ein Verkäufer bietet wie im Kino aus einem Bauchladen mit schwarz-rot-goldenen Gurten den Zuschauern Sekt und Süßes an, wandert durch die Reihen, verkauft auch was – das Geld soll für‘s Theater sein. Ebenfalls im Publikum zitiert Thomas (Thomas Werrlich) erst Rousseau und dann Horst Köhler, als der noch nicht Bundespräsident war und wird vom Sekt-Verkäufer „kommunistische Beutelratte“ tituliert. Zwischen solchen Szenen klingt es rockig „Das alles ist Deutschland, das alles sind wir“ und wenn sich der Eiserne Vorhang hebt, ist man in einer heruntergekommenen Klitsche irgendwo auf dem Land. Bretterwände, eine Hausecke, eine Bank, Gerümpel (Ausstattung: Sabine Born) – hier will Thomas zusammen mit Tochter Paula (Paula Schrötter) es, als letzte Chance, mit Schamanismus versuchen, weshalb er eine neckische Feder im Stirnband trägt.
Und die ersehnten West-Besucher kommen auch: Eine seilt sich mit Rucksack, Klampfe und Navi („Sie haben Ihr Ziel erreicht“) ab und entpuppt sich als Esoterik-Zicke aus Bielefeld (Katja Schreier), die sich im Streichelzoo den Zeh ramponiert. Dann rückt noch ein Pärchen auf dem ramponierten Hof an: Maria (Maria Weber), die Wein aus der Kaffeekanne trinkt, und Stephan (Stephan Bestier), der schattenboxt und alles knipst. Die beiden aus Mülheim wollen mal „Ostler gucken“. Dieses Personal hetzen dann Stück und Regie aufeinander. Das ist zwar nicht ganz so ostalgisch wie Cornelia Crombholz in ihrer Magdeburger „Spur der Steine“-Inszenierung, aber viel mehr Tiefe hat es auch nicht. Wenn Papa Thomas mit der Axt in der Hand über die neue „Kolonialmacht“ schimpft, wäscht Tochter Paula ihm den rückständigen Kopf. Sie pflegt, ganz zeitgeistig, statt Pionierbrieffreundschaft nun E-Mail-Kontakt. Und natürlich kommt es, wie es kommen muss: Bald heißt es nicht mehr nur Ost gegen West, sondern die Wessis untereinander fechten ihre bis dahin unter Überlegenheit verborgenen Konflikte aus. Doch das alles bleibt sehr an der Oberfläche, die Figuren sind bloße (Stereo-)Typen und die Regie zielt allzu offensichtlich auf das Komische in dieser Tragikomödie.