Foto: Susanne (Patricia Bänsch) und Gil (Ji-Su Park) © Marlies Kross
Text:Ute Grundmann, am 20. November 2016
Seine Nase bringt ihn auf die Spur. In seinem Wohnzimmer riecht er türkischen Tabak, den er hasst. Und da seine frischangetraute Frau nicht raucht – das wüßte er, der Herr im Haus -, kann die Duftspur nur ein Nebenbuhler hinterlassen haben, den es zu finden gilt. Um nicht viel mehr geht es in Ermanno Wolf-Ferraris Kurz-Oper „Susannens Geheimnis“, 1909 uraufgeführt. Im Theater Görlitz hat man nun das Komödchen mit Nino Rotas noch kürzerer „Nacht der Ängste“ zusammengespannt, 1960 uraufgeführt und hier als deutschsprachige Erstaufführung präsentiert. Gemeinsame Überschrift beider von Christian Papke inszenierten Einakter: „Nacht der Geheimnisse“.
Britta Bremer hat ein kühles Hotel-Ambiente auf die Bühne gebaut: Mit Stahlrohr-Leder-Möbeln, halb Foyer, halb Wohnzimmer, dahinter zwei Etagen, unten Türen mit chinesischen Schriftzeichen, oben ein Zimmer mit Bett. Hier überall schnüffelt Gil im Wortsinn herum, bisweilen von Tabakwerbefilmen à la Marlboro-Mann begleitet. Mal beklagt der vermeintlich Betrogene pathetisch sein Leid, mal raspelt er Süßholz für seine Frau Susanne. Die tanzt in ihrem Zimmer zu Musik aus dem Ipod, dannn wieder fürchtet sie die Entdeckung ihres heimlichen Lasters: Das Rauchen. Und auf die von der Musik behutsam-sinnlich begleiteten Erinnerungen an den ersten Ehe-Wonnemonat folgt erbitterter Streit. Patricia Bänsch (Susanne) und Ji-Su Park (Gil) mühen sich redlich, abwechselnd schwülstige Liebesschwüre und harsche Eifersuchtsszenen zu geben, doch die Geschichte bleibt dünn, der Text etwas altmodisch und überfrachtet.
Die Musik von Ermanno Wolf-Ferrari dagegen ist durchaus abwechslungsreich: Im temporeichen, quirligen Auftakt (zu dem ein Tanz-Paar die Heirat zelebriert) klingt die commedia dell arte an, dann setzen mal leichtes, helles Klavier und die Harfe vorsichtige Akzente, im Ehestreit schwingt sich die Oper zu fast Wagnerscher Wucht auf. Das Orchester unter GMD Andrea Sanguineti spielt die unterschiedlichen Emotionen schön aus – und am Ende hat der Diener Sante den letzten Zug. Dieser in eine lila-goldene Livree gewandete Diener (Stefan Bley) taucht dann auch in Nino Rotas „Nacht der Ängste“ auf, und der Darsteller des Gil, Ji-Su Park, hat zwei kurze Auftritte als Hoteldirektor. So versucht die Inszenierung beide Stücke zu verklammern, das 50 Jahre jüngere Werk als eine Art Vorspann zu „Susannens Geheimnis“ zu zeigen. Auf der Bühne stehen nun statt Foyer-Möbeln drei Betten, dahinter eine Wand voller Türen, zwei Hoteletagen darstellend. Hier spielt die absurd-kuriose Geschichte eines schlaflosen Neurasthenikers (Hans-Peter Struppe), der gleich drei Hotelzimmer gemietet hat, um im mittleren wirklich seine Ruhe zu haben. Doch es ist Messe und der geschäftstüchtige Direktor hat die Zimmer rechts und links doppelt vermietet. Und es kommt, wie es kommen muss: links lärmt ein betrunkener Kommandeur (Michael Berner), rechts ein Sado-Maso-Pärchen in Westernkluft mit Strapsen (Patricia Bänsch, Thembi Nkosi). Christian Papke hat die Wut-Attacken des Schlaflosen, den Slapstick des Betrunkenen angemessen turbulent und temporeich inszeniert, aber an straffer Leine.
Warum er allerdings alle Personen doppelt auftreten lässt, bleibt (s)ein Geheimnis: Alle Sänger haben Schauspieler-Doubles, die oben ein Zimmer betreten und unten darin ankommen, ein ständiges Tür auf, Tür zu, rein und raus. Da bleiben den Sängern wenig Entfaltungsmöglichkeiten, nur Hans-Peter Struppe spielt seine Buffo-Partie des schäfchenzählenden, wütenden Gastes schön und präzise. Und wenn donnernde Musik seinen Schlaf stört, dann singt er auch so. Die Klänge von Rota sind ohnehin das Interessanteste: Das beginnt mit sanft-schwelgenden Tönen, die immer wieder schroff abbrechen, dunkle Klänge weiten sich zu Gefahrgrollen. Doch es gibt auch schnelle Streicherbegleitung der Turbulenzen, in die helle Bläsertöne tropfen, klare Gesangslinien dominieren. Und dem Liebespaar wird in kinoreifer Musikteppich unterlegt, der, wie der 30-Minuten-Einakter, schrill endet.