Maximilian Lindner hat den sechs Freunden einen alten Golf auf die kleine Bühne des Central gestellt, dazu der WG-Tisch, einige Lampen und jede Menge Laub auf dem Boden, was im Winter zwar wenig Sinn macht, aber gut zu bespielen ist und ein treffliches Bild für die allgegenwärtige Vergänglichkeit abgibt. „Birth – School – Work – Death“, singt man das drohende Lebensmuster wie ein Mantra im Dauernebel der Bühne, aber so richtig zum Kern führt das alles kaum. Auch nicht, wie in dieser Partystimmung immer wieder Frieders Grundzweifel an der Sinnhaftigkeit des Großen Ganzen anklingen.
Robert Koalls Theaterfassung von „Auerhaus“ ist klug verdichtet, verteilt den Erzählerpart auf alle Beteiligten, schiebt Episoden ineinander und kürzt damit den ohnehin knappen Roman, der knapp ist in der Sprache wie der Erkenntnis. Kaum ein Satz hat mehr als ein Dutzend Wörter. „Egal“ oder „Nicht egal“ sind die Lieblingskommentare Höppners. Und genau so knackig setzt der junge Regisseur Robert Gerloff das Stück in Szene, mit gut getimten Licht- und Musikwechseln, die die einzelnen Episoden aneinanderreihen. Kilian Land als jugendlich naiver Höppner deklamiert vortrefflich den Großteil des Textes ins Publikum, der Frieder von Alexej Lochmann zeigt die krassen Brüche seiner Figur, zwischen Psychopharmaka-gedopter Euphorie zu Silvester (mit beeindruckender Breakdance-Einlage trotz Körperfülle) und der zweifelnden Einsamkeit eines Depressiven, der es jederzeit wieder tun würde. Vor allem aber ist der Harry des André Kaczmarczyk die Entdeckung des Abends: Grandios, wie er mit wenigen Gesten abwechselnd die übrigen Romanfiguren ausfüllt, vom buckligen Nachbarn der WG über den verhassten Lehrer „Turnschuh“ bis hin zum albernen Dorf-Polizisten.
Es gibt viele gelungene Szenen, etwa wenn alle sechs mit Pistolenattrappe im Golf sitzen zur Verfolgungsjagd mit einem Dorfpolizisten, oder wenn Höppner mit Frieder allein auf dem Autodach sitzt, den entscheidenden Augenblick vorm Selbstmord durchdekliniert, und beim Öffnen der stets präsenten Flasche Imiglykos-Wein zur Verwunderung beider wieder der Song „Our house“ ertönt. Aber der Flaschengeist der heilen WG-Welt ist zur Flüchtigkeit verdammt, so wie das gemeinsame WG-Jahr der Freunde bis zum Abi.
Frieder packt es nicht, das Leben. Die letzten Male, in denen er und Höppner sich treffen in dessen Berliner Zimmer, Monate nach dem vergeigten Abi, inszeniert Gerloff angenehm unspektakulär. Frieder legt sich einfach ins Laub, dreht sich um, ganz müde. Zu seiner Beerdigung spielt Cecilia leise Keyboard im Hintergrund, Vera und Harry sind sichtlich mitgenommen. Heikel ist das, und doch gelingt die Gratwanderung bei der Uraufführung, was vor allem dem hervorragenden Ensemble zu danken ist. Und dem Kerngedanken von „Auerhaus“, jenseits aller Klischees: Sie ist nunmal so beschissen entscheidend und vergänglich, diese Lebensphase der Selbstfindung 18-Jähriger.