Der große Screen auf dem Platz führt das Publikum durch den Abend, zeigt die Darsteller:innen in Großaufnahme und erklärt die Handlung. In „Rheingold 47051“ geht es um Macht und die Stadt Duisburg. So sind nicht nur Opernsänger:innen und Orchester Teil der Inszenierung, sondern auch lokale Bürgergruppen, wie ein Turnverein, eine Schauspieltruppe oder verschiedene Chöre.
Zunächst eröffnet der Cateringservice – die drei Rheintöchter (Katarzyna Wlodarczyk, Heidi Elisabeth Meier und Verena Kronbichler) – die Anfangsszene und identifiziert den goldgierigen Alberich, der durch die Hochzeitsgesellschaft verkörpert wird. „So verfluch ich die Liebe“, kreischt die Alberich-Gruppe, sobald sie das glitzernde Rheingold erblickt. Schließlich kann es nur demjenigen zu eigen werden, der der Liebe entsagt. Auf dem Duisburger Dellplatz wechseln sich Fragmente der Oper mit Tanz, Schauspiel und Akrobatik ab. Auch klanglich verlässt die Inszenierung den Opernsaal und bringt die Stücke etwa durch Synthesizer-Elemente in die Mitte der Gesellschaft. Auf diese Weise gießt Ron Zimmering (künstlerische Leitung) Wagners Rheingold in ein halbfiktionales Format, in dem Stadtgeschichte und gesellschaftliche Fragestellungen verhandelt werden.
Mosaik aus Stadtgeschichte und Opernhandlung
Kann man also mit Hilfe von Wagners Oper Duisburg und seine Menschen kennenlernen? Duisburg ist eine Stahlstadt, sozusagen das Aushängeschild des Ruhrgebiets für Stahlproduktion. Doch ganz so rosig sieht es nicht aus: „Die Stadt hat 3,2 Milliarden Euro Schulden“, erklärt eine Sprecherin. Genau wie Wotan, der im zweiten Kapitel zahlungsunfähig einer Armee von Bauarbeiter:innen gegenübersteht, die ihm die Burg Walhall erbaut haben und nun seine Frau Freia als Pfand zu entführen versuchen. Die Inszenierung wirkt wie ein künstlerisches Mosaik aus Stadtgeschichte und Opernhandlung, bei dem auch die 100 Bürger:innen aller Altersklassen mit ihren eigenen Geschichten eine Rolle spielen.
Was sollte man eigentlich mit einem Goldbarren anfangen? Wie viel legt man im Monat auf die hohe Kante? Oder auch: Ist die Elterngeneration am Klimawandel schuld? Es sind Fragen, die Wünsche, Ängste und Hoffnungen der Duisburger Bevölkerung betreffen und zum zweiten Handlungsstrang der Inszenierung werden. Dieser lässt sich schwer in Einklang mit der Opernhandlung bringen.
Die doppelte Grundlage dieses Musiktheaters kämpft zeitweise etwas mit der Disparität ihrer Elemente. Musikalisch aber gelingt der Drahtseilakt zwischen Wagneroper, Elektrosounds und Popmusik, die von Christoph Stöcker und Laura Brannath wie Stahl zusammengeschmolzen werden. So zeichnen die Pianisten Ville Enckelmann, Wolfgang Wiechert und James Williams eine spätromantische Orchesterlandschaft am Klavier und begleiten Wotans (Luke Stoker) satten Baritonklang, während Synthisounds verspielte Akzente setzen. Im großen Finale – dem Sieg Wotans über Alberich und die Rückkehr des Rheingolds – kommen archaische Trommeln der Gruppe Samba x hinzu und verbinden sich mit einem Tutti aus Gesang, Schauspiel, Sprechchor und akrobatischen Sprüngen. Wild, bunt und ein bisschen zerissen – aber die Leidenschaft ist greifbar und trägt.