Der Arzt Rieux (Clemens Dönicke) steht an der Bühnenkante. Sein Blick streift über die leeren Zuschauerreihen des Theaters Oberhausen. Was er sieht, verbindet den gegenwärtigen Lockdown des Theaters mit der Zukunft einer von einer Epidemie verwüsteten Stadt. Sicherheitsmaßnahmen als Zeichen eines kommenden Todes. Es ist das einzige Mal in Bert Zanders Verfilmung von Albert Camus‘ Roman „Die Pest“, dass man Rieux leibhaftig zu sehen bekommt. So wie der Arzt sich am Ende des Romans als Erzähler zu erkennen gibt, so fungiert er hier als Cameraeye, aus dessen Perspektive der Abend erzählt wird. Zugleich spaltet Bert Zander allerdings mit Emilia Reichenbach als weiblichem Rieux noch eine Kommentatorin vom Mediziner ab. Sie streift durch die Stadt, durch Gärten und grüne Wälder und gibt düstere Statements zur Lage ab.
Auf Corona mit Camus‘ „Die Pest“ zu reagieren, heißt zunächst vereinfachen. Der allegorisch gemeinte Roman zielt, wofür er heftig kritisiert wurde, auf ein unhistorisch verallgemeinertes Unglück, das über die Menschheit hereinbricht – und war doch zugleich angeregt von Nazidiktatur und Holocaust. Camus beschreibt allerdings detailliert die unterschiedlichen Reaktionen der Bewohner und städtischen Institutionen auf die Epidemie. Die Parallelen zu heute sind insofern unübersehbar. Bert Zander, der am Oberhausener Theater bereits die Video-Installation „Schuld und Sühne“ erstellt hat, realisiert in Zusammenarbeit mit ZDF Kultur und 3sat eine fünfteilige Serie, die mehr Verfilmung als Videoinstallation ist, die in der Mediathek abgerufen werden kann. Bis Ende Mai kommt jeden Samstag eine weitere Folge dazu.