Foto: Das installierte Ensemble in „Baracke“ © Thomas Aurin
Text:Detlev Baur, am 23. September 2023
Die Uraufführung von Rainald Goetz‘ „Baracke“ am Deutschen Theater Berlin zeigt die Familie als Terrorzelle. Das ist ein so dankbares wie vages Theaterthema. Claudia Bossard und dem neuen DT-Ensemble gelingen dennoch eindrückliche Szenen.
Terror ist vielleicht das zentrale Thema des Autors und Dramatikers Rainald Goetz. Nachdem zuletzt in „Reich des Todes“ islamistische und staatliche Gewalt der US-Regierung des George Bush jr. im Zentrum standen, sind es in „Baracke“ nun Herrschafts- und Gewaltstrukturen in der Familie. „Alle Gewalt geht von der Familie aus“ ist eine Szene überschrieben: ein gewalttätiger Patriarch, eine duldende Mutter, nervende Kinder sind Figuren kurzer Szenen, werden aber auch zu Objekten diskursiver Monologe. Den Anfang macht jedoch die Liebe, die Verbindung von Ich und Du; da beispielsweise schreibt Goetz lyrische Verse: „die nächsten Momente/einfach kommen lassen/offene Zukunft/Weite der möglichen Folgen“. Die ehelichen Folgen sind dann durchgehend verheerend; und die Verbindung von Poesie, philosophisch-soziologischem Exkurs und knapper Szene stellt Leser und Theatermacher:innen vor eine nicht kleine Herausforderung.
Disparates Werk
Doch auch thematisch ist „Baracke“ ein weitschweifiges Werk: Denn neben dem ganz normalen, brutalen Familienterror bindet Goetz den Terror des NSU, Liebe im mörderischen Trio, in das Leitmotiv mit ein. In der finalen Szene bringt sich der Familienvater um, was nicht nur mit einer vererbten genetischen Vorbelastung zu tun zu haben scheint, sondern auch damit, dass die Eltern früher mit dem NSU-Trio befreundet waren.
Claudia Bossards Uraufführungsinszenierung am Deutschen Theater Berlin bringt dankenswerterweise mit zunehmender Dauer (bei knapp zweieinhalb pausenlosen Stunden) zunehmend Struktur in das disparate Stück. Vor allem die Konfrontation von biedermeierlichen Gestalten (Kostüme: Andy Besuch) mit jungen Leuten von heute, beispielsweise Motorradfahrer in voller Montur, erzeugt erfrischende Brüche im Monothema Familie. Die (oben beschriebene) finale Szene wird im (Fake-)altertümlichen Familienheim und mit altmodisch kostümierten, aber gegenwärtig besorgten Menschen zu einem großen Finale.
Verdienst der Inszenierung
Zu Beginn erleidet Mareike Beykirch als jugendliche Frau das Leid um die Liebe, ehe sie sich mit Leidensgenoss:innen in Paarkonflikte begibt. Mit Jeremy Mockridge und Andri Schenardi gelingen da komisch-entlarvende Szenen; Natali Seelig und Janek Maudrich bringen als altertümliche Elterngestalten eine frisch-verfremdende, familiär-einengende Ebene hinzu; zusammengemixt und tatsächlich zusammengehalten wird der vage Text auch durch die Bühnenelemente einer Kunstinstallation: übermalte Gemälde, Videofilme und einen Glaskasten mit Live-Film, in dem oder um den herum sich die verschiedenen Generationen und Zeitebenen begegnen (Bühne: Elisabeth Weiß, Sound und Video: Annalena Fröhlich, licht: Cornelia Gloth). Für die erkrankte Daria von Loewenich übernahm bei der Premiere Lisa Birke Balzer tapfer eine der insgesamten acht Rollen.
So ist mit der Uraufführung von „Baracke“ eine coole Inszenierung gelungen, das Spiel bleibt beim holzschnittartigen Ansatz des Textes bei gleichzeitig vager Thematik und der dramatischen Überlast von Meta-Diskursen jedoch auch im Ungefähren.